Rapper Nazar vor Gericht - nach seiner Verurteilung will er zurückschlagen: Mit "sauberen Texten" und "dicken Beats".

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Und ihn dann niedergeschlagen.
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Wien - "Battles", bei denen Rapper gegeneinander antreten, um ihre Gegner möglichst wortgewaltig mundtot zu machen, sind in der Szene an sich nichts Ungewöhnliches. Doch dieser "Battle" fand in Favoriten statt. Nicht auf einer Bühne und - fast - ohne Publikum. Es blieb nicht bei Worten allein.

Die Freundschaft der beiden Rapper Sasa B. und Nazar war in die Brüche gegangen und ins Gegenteil gekippt. Ende März eskalierte ihr Streit - und der gebürtige Bosnier Sasa B. wusste genau, wie er seinen Gegner am härtesten treffen konnte.

"Fremd im eigenen Land"

Nazar (24), der Sohn iranischer Einwanderer, dessen Vater im Golfkrieg gefallen war und der seine Kindheit und halbe Jugend im Krankenhaus verbringen musste - eine Oberschenkelknochen-Verlängerung und mehrere Fußoperationen inklusive. In den Straßen von Favoriten hatte ihn die ständige Konfrontation mit Neonazis geprägt - bis er 2006 begann, seine Eindrücke im Rap zu kanalisieren. Mit Songs wie "Streetfighter Part 2" oder Coverversionen wie "Fremd im eigenen Land".

Doch Sasa B. ging im Streit weit in die Vergangenheit zurück, beschimpfte nicht nur Nazars Mutter, sondern auch dessen toten Vater - und nannte ihn einen Krüppel. Nach dem letzten Streit am Telefon stieg Sasa B. am 4. April frühmorgens ins Auto und fuhr zur Wohnung seines Kontrahenten. "Ich wusste, dass er bewaffnet kommen würde", berichtet Nazar.

Er griff daher selbst zur Schreckschusspistole und ging auf die Straße. Beim Auto angekommen, hielt Nazar die Waffe an Sasa B.s Kopf, forderte ihn auf, sich zu entschuldigen. Als Sasa B. ausstieg, war Nazar vermutlich nur schneller: Ein Faustschlag ein Tritt und die Sache war erledigt. Für Nazar.

Fünf Wochen U-Haft

Nicht aber für Sasa B. Der organisierte sich einen "Zeugen" und zeigte seinen Gegner an - wegen schweren Raubes, sein Gegner habe ihm auch Geld abgenommen, behauptete er. Nazar wurde verhaftet und kam fünf Wochen in Untersuchungshaft.

Bis sein Strafverteidiger Roland Friis eine Handy-Ortung beantragte, um festzustellen, wo sich Sasa B.s "Zeuge" zum Tatzeitpunkt tatsächlich befand. Und ein echter Augenzeuge glaubhaft berichten konnte, dass sich bei dem Vorfall ganz sicher nur eine Person im Auto befunden hatte. Die Staatsanwaltschaft musste ihre Raub-Anklage zurückziehen und Nazar wurde aus der Haft entlassen.

Diesen Freitag musste er sich daher "nur" noch wegen schwerer Nötigung und Körperverletzung verantworten. Da er sich voll geständig zeigte und Sasa B. nicht zur Zeugeneinvernahme erschienen war, konnte der Prozess von Richter Thomas Kreuter binnen 15 Minuten erledigt werden: Ein Jahr bedingte Haft. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig - der Angeklagte erbat Bedenkzeit.

Vor Gericht hatte Nazar sein Einkommen übrigens mit 800 Euro Sozialhilfe angegeben. Wobei man ergänzen muss: Noch. Denn seine am 27. Juli veröffentlichte CD "Kinder des Himmels" startet durch: Die erste Auflage ist ausverkauft.

Was Sasa B. betrifft, will Nazar jetzt zurückschlagen - aber "nicht mit Waffen und roher Gewalt, sondern mit sauberen Texten, dicken Beats und Anstand", beteuert er.

Überdies wird es vermutlich noch eine Begegnung geben - wieder vor Gericht. Denn jetzt wird es ein Verfahren gegen den mehrfach vorbestraften Sasa B. geben - wegen Verleumdung und Anstiftung zur Falschaussage. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD/Printausgabe12.07/13.07.2008)