Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: AP
wie erst jetzt, nach einigen hunderttausend jahren bekannt

wurde, hat der interplanetarische gerichtshof den erfinder der nahrungskette zum "tode durch aufgefressen werden von

artgenossen" verurteilt. diese perversität wurde folgendermaßen begründet: es gibt keinen grund leben durch vernichtung von

lebendem zu erhalten, da immer schon bekannt war, dass

organisches leben aus anorganischem entstehen kann. dieses prinzip war also willkür, reine kopfgeburt außerhalb des

schöpfungsplans, ja es wurde durch die einführung der

nahrungskette ein grundgesetz der schöpfung verletzt. zwar konnte man noch durch eine novelle bei höheren lebewesen das prinzip "fressen und gefressen werden" unter strafe stellen, aber, wie man weiß, hat sich bis heute die einhaltung von gesetzen nicht einmal bis kärnten durchgesetzt. das verhängnis der

nahrungskette waren aber nicht die hierarchien des "wer frißt wen", sondern die kochkunst. während etwa der fisch oder der löwe seine nahrung noch fangen und bei lebendigem leibe

zerreißen muss, sind die köche jene verfremdungskünstler,

die aus der nahrungskette eine genussmeile machen, bei der der fresser das gefressene nicht mehr identifizieren kann. die mode, zu wissen wo das kalb aufgewachsen ist und ob es vor dem schlag auf den schädel glücklich war, könnte man als eine art stelzendämmerung bezeichnen. nicht zu unrecht ist also der

verdacht aufgetaucht, dass der erfinder der nahrungskette auch der erste koch war. in einigen hunderttausend jahren wird das

sicher in einem weiteren interplanetarischen prozess geklärt

werden. ob dies dann auch die fresskultur ändern wird, kann man heute noch nicht sagen.

(Friedrich Achleitner, DER STANDARD/Printausgabe12.07/13.07.2008)