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Ivica Osim zu Sturm-Zeiten.

Foto:REUTERS/Robert Zolles
Gregor Stuhlpfarrer sprach mit ihm über Gesundheit, seine persönliche Zukunft und das ÖFB-Team.

Standard: Wie geht es Ihnen?

Osim: Es geht, aber es geht nicht sehr schnell. Es ist ein Glück, dass ich noch am Leben bin. Ich war schon auf der anderen Seite, und es ist sehr schwer, wieder zurück- zukehren. Ich habe Probleme mit meiner Hand, sie ist taub geblieben. Sprechen, Denken, Memorieren, das alles leidet natürlich. Am Anfang hatte ich das Gefühl, dass mein Kopf eine Ruine ist, aber es wird langsam besser. Angeblich dauert es zwei bis drei Jahre, bis alles wieder so funktioniert wie vor meinem Schlaganfall. Ich weiß nicht, ob ich so viel Geduld habe.

Standard: Fällt es Ihnen schwer, nicht auf dem Platz zu stehen?

Osim: Das wäre das Wichtigste für mich. Kurz vor meinem Schlaganfall bin ich auch noch auf dem Platz gestanden. Als ich im Krankenhaus aufgewacht bin, haben mir die Ärzte gesagt, dass es nicht mehr möglich sein wird, als Trainer zu arbeiten. Das hat mich am härtesten getroffen und war wie eine Strafe. Wenn man jemanden bestrafen möchte, der sein Leben für den Fußball gelebt hat, dann muss man ihm nur sagen, dass er das in Zukunft nicht mehr machen wird können. Wenn ich jetzt als Zuschauer bei einem Spiel bin, kann ich das aber mittlerweile schon genießen, und das ist schön.

Standard: Josef Hickersberger hat nach der EURO seinen Rücktritt erklärt. Können Sie seine Entscheidung nachvollziehen?

Osim: Ja, das kann ich. Das spricht für seinen Charakter. Das Problem besteht darin, zum richtigen Zeitpunkt den Rücktritt perfekt zu machen. Wenn man den korrekt wählt, wirkt sich das auf die Arbeit, die es noch gibt, am besten aus.

Standard: Der ÖFB ist gegenwärtig auf der Suche nach einem Nachfolger für Hickersberger. Dabei könnte nun seit langem wieder einmal ein Trainer aus dem Ausland zum Zug kommen. Wäre ein ausländischer Teamchef die bessere Lösung als einer aus dem Inland?

Osim: Das wäre natürlich eine Möglichkeit, aber man muss vorsichtig sein. Viele Nationen haben das probiert, nicht alle, zum Beispiel England mit Sven-Göran Eriksson oder Schottland mit Berti Vogts, hatten damit Erfolg. Auf der anderen Seite hat es in Griechenland mit Otto Rehhagel sehr wohl funktioniert. Es ist aber ein Vorteil für einen Trainer aus dem eigenen Land, dass er die Spieler gut kennt. Trotzdem: Der Fußball ist überall der gleiche. Im Endeffekt geht es bei der Trainerperson eher um Charisma als um die Nationalität.

Standard: Wie beurteilen Sie die Leistung der österreichischen Mannschaft bei der EURO?

Osim: Es ist schon ein Wunder, dass diese Mannschaft zeitweise sehr gut gespielt hat, weil sie einem unglaublichen Druck ausgesetzt war. Man kann das Team und den Teamchef nicht zwei Jahre hindurch kritisieren und dann noch ein Wunder erwarten. Die zweite Hälfte gegen Kroatien war zum Beispiel sehr gut. Auch ich hätte Ivica Vastic einberufen, denn es ist egal, wie alt ein Spieler ist oder wie er aussieht. Gut muss er sein. Zusätzlich hätte ich auch Mario Haas einberufen. Unser Problem mit den Stürmern war ja evident.

Standard: Würde Sie der Job des Teamchefs reizen, gesetzt den Fall, Ihre Gesundheit lässt das zu?

Osim: Ich habe immer gesagt, dass das schwierig ist. Ich komme aus Bosnien, dort ist meine Heimat. In Bosnien hat man auch eine Zeit- lang gedacht, dass ich wieder zurückkomme und nicht in Graz bleibe. Ich habe aber in Österreich etwas aufgebaut und erreicht und bin letztendlich nicht zurückgegangen. Teamchef möchte ich aber nicht werden, denn ich möchte in Bosnien niemanden enttäuschen.

Standard: Rapid ist in der vergangenen Saison Meister geworden, obwohl Salzburg ein viel höheres Budget zur Verfügung hatte.

Osim: Geld spielt keinen Fußball, ein Startrainer auch nicht.

Standard: Wie kann ein kleinerer Klub mit einem geringeren Etat trotzdem erfolgreich sein?

Osim: Das funktioniert nur mit konsequenter Arbeit. Ich habe im Training immer versucht, ein Spiel so weit wie möglich zu simulieren. Man kann nicht die gleiche Atmos-phäre wie in einem vollen Stadion schaffen, aber man kann zum Beispiel einen Teil der Mannschaft wie den nächsten Gegner spielen lassen. Training muss abwechslungsreich sein. Man muss Kreativität, Mut zum Risiko und eine Philosophie, eine Idee vermitteln.

Standard: Möchten Sie prinzipiell wieder einen Klub trainieren?

Osim: Ja, ich möchte irgendwann wieder einmal auf der Bank sitzen. Möglicherweise werde ich auf der Bank sterben.

Standard: Sie haben einmal gesagt, das wäre zu spektakulär?

Osim: Das mag spektakulär sein, aber warum nicht? Ich kann überall sterben. Ich denke, wenn schon, dann lieber auf der Trainerbank. (DER STANDARD Printausgabe 12.07.2008)