An gut meinenden und auch durchaus fundierten Kommentaren herrscht dieser Tage wahrlich kein Mangel. Aber: Der 28. September kommt gewiss und dann werden es doch wieder nur Zwischenrufe gewesen sein.

Die einen empfehlen radikale Änderungen der "Spielregeln" und propagieren - etwa Bernd Schilcher im Standard vom Donnerstag - das Mehrheitswahlrecht als formelhafte Lösung, müssen dabei allerdings (leider) zwei demokratiepolitische "Missetaten" der eben gescheiterten Koalition ausblenden: die Verlängerung der Legislaturperiode des Nationalrates auf fünf Jahre und die Verankerung der Kammern in der Verfassung.

Andere - so der von mir sehr geschätzte Alfred Noll in der nämlichen Ausgabe des Standard - resümieren resignierend, dass derzeit linke (wirklich nur diese?) Politik in Österreich jenseits bestehender organisatorischer Strukturen nicht wirkmächtig sein könne. Michael Fleischhacker wiederum formuliert in einem Presse-Leitartikel: "Wenn man sich als Bürger schon damit abfinden muss, dass sich an den Rahmenbedingungen nichts ändert, möchte man doch wissen, woran man inhaltlich ist." um dann (s)eine vierstrahlige Lösungsmatrix in den Raum zu stellen: Es gehe entweder um Rot-Blau versus Schwarz-Grün oder um Schwarz-Blau versus Rot-Grün.

Mehr vom Gleichen?

Gemeinsam ist diesen Analysen, dass sie sich mit den traditionellen Kategorien des Lagerdenkens abfinden und folgerichtig einen Lagerwahlkampf erwarten. Gemeinsam ist ihnen auch die Überzeugung, alles laufe wieder auf eine Koalitionsregierung hinaus. Mehr vom Gleichen also. Keine der arithmetisch möglichen Varianten wäre nämlich ein Versprechen für die Zukunft, die offenkundige Legitimationskrise unseres repräsentativ-parlamentarischen Systems prolongiert.

Und doch gäbe es einen möglichen Ausweg aus diesem Dilemma: Die Kandidatur einer breiten, überfraktionellen Allianz - einer Wahlpartei - der Besonnenen. Einer Allianz die dafür eintritt, dass nicht endgültig zur unwidersprochenen Normalität wird, was uns - und dies nicht erst seit zwei Jahren - Schaden stiftend als Politik verkauft wurde, aber letztlich doch nur das Absichern von Besitzständen und "eigener" Interessen war.

Wir Bürgerinnen und Bürger müssen uns nämlich keineswegs damit abfinden, dass sich an den Rahmenbedingungen nichts ändert. Es ist unsere Republik und wir haben es in der Hand, nicht länger geduldig hinzunehmen, dass die kommende Nationalratswahl zu einer Sternstunde mehr oder minder populistischer Opportunisten verkommt. Sich direkt und persönlich einzumischen und für mehr Offenheit, Toleranz und Fairness in unserer Gesellschaft einzutreten war noch nie gebotener als heute.

Es wäre ein fataler Irrtum, darauf zu hoffen, dass sich die aktuellen politischen Parteien - Münchhausen gleich - beim eigenen Schopf packen und aus dem Sumpf ziehen können. Zu eingeübt sind Rituale und Rollen, zu verkrustet die Strukturen.

Soll jene demokratische Normalität in Österreich wieder zu lebendiger Entfaltung zu kommen, die anderswo Bürgergesellschaft genannt wird, bedarf es eines direkten und persönlichen Abstoßes von "unten". Damit es wieder selbstverständliches Anliegen politischen Handelns wird, dass jede und jeder seinen persönlichen Lebensplan verwirklichen können möge; in einer solidarischen Gesellschaft, fußend auf gesicherten Grundrechten im Rahmen einer leistungsfähigen und fairen Wirtschaftsordnung. (DER STANDARD, Printausgabe, 12./13.7.2008)