Während man andernorts über neue Töne im politischen Farbspektrum der Republik nachdenkt, setzt man in der jungen SP-Basis auf "klare Linien" beim Ausbau des Bestehenden.

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In einem Interview sagte Werner Faymann kürzlich sinngemäß, Wahlversprechen machen keinen Sinn, vielmehr müsse man klarmachen, wofür sich die SPÖ mit aller Kraft einsetzen wird. Der Autor dieser Zeilen erlaubt sich im Namen seiner SPÖ-Sektion, dafür einige Vorschläge zu machen:

Für Umverteilung: Die Lohneinkommen sinken seit 25 Jahren auf Kosten der Gewinneinkommen, die Vermögenssteuern in Österreich sind die niedrigsten in der OECD. Unter solchen Umständen darf, soll und muss die Sozialdemokratie für mehr Umverteilung eintreten, etwa durch eine steuerliche Gleichstellung von Privatstiftungen mit Kapitalgesellschaften und die Einführung treffsicherer Vermögenssteuern.

Ob die Kronen Zeitung in diesem Zusammenhang ein guter Verbündeter ist, darf hinterfragt werden. Die Dichand-Privatstiftung verfügt, so schätzt das Magazin Trend, über ein Stiftungsvolumen von 518 (!) Millionen Euro. Laut der Tageszeitung taz bezieht der Herausgeber zusätzlich ein Jahreseinkommen von rund acht Mio. Es dürfte jedem Sozialdemokraten einleuchten, dass die Besteuerung von Stiftungen und Vermögen nicht im unmittelbaren Interesse der Krone liegen kann. Wie schon in der Vergangenheit geschehen, würden diesbezügliche Vorschläge wohl in einer entsprechenden Kampagne des Kleinformats - nicht ganz uneigennützig - als "Sparbuchsteuer" gebrandmarkt.

Falsche Götzen

Für Europa: Die SPÖ soll, ohne an antieuropäischen Ressentiments auch nur anzustreifen, für eine Reform der EU eintreten. Im Zentrum kann dabei nur die Schaffung einer Sozialunion stehen, wobei natürlich vom momentanen Status quo ausgegangen werden muss. Eine Neugründung Europas wird es nicht geben. Langsame Reformen wie der Vertrag von Lissabon werden - mit oder ohne Volksabstimmung - der Weg in Richtung jenes Ziels sein, das Johannes Voggenhuber so vortrefflich als "Europäische Demokratie" bezeichnet. In diesem Zusammenhang wäre übrigens der Aufbau einer europäischen Sozialdemokratie und einer europäischen Gewerkschaft, die das Prädikat "europäisch" auch verdienen, angesagt.

Es ist eine Schande, dass das "Kapital" seit Jahrzehnten keine Grenzen mehr kennt, während die als internationalistisch konzipierte Arbeiterbewegung ihr Dasein in Provinzpossen fristet und dem innereuropäischen Standortwettbewerb huldigt.

Notwendige Offensive

Für Gleichberechtigung: Mit der Flexibilisierung des Kindergeldes und den Investitionen in die Ausbildung von Tagesmüttern und -vätern im Ausmaß von 35 Millionen Euro jährlich wurden von der Regierung Gusenbauer positive Akzente gesetzt. Trotzdem soll beim Thema Gleichstellung offensiver vorgegangen werden: Im Bereich der staatlich angebotenen kostenlosen Kinderbetreuung gibt es massiven Investitionsbedarf, denn Tagesmütter bzw. -väter wird sich nur ein Teil der Bevölkerung leisten können. Überdies sollte die Idee der Väterkarenz ganz oben auf der SP-Agenda stehen.

Auch in der Privatwirtschaft sind Maßnahmen zur Gleichstellung notwendig, Vorbildcharakter hat hierbei die norwegische Frauenquote für Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen, die per Gesetz 40 Prozent betragen muss. Die völlige Gleichstellung Homosexueller muss für die SPÖ so selbstverständlich sein wie die Gewaltentrennung.

Für die Akzeptanz der Migration: Zehn Prozent der Bevölkerung haben keine österreichische Staatsbürgerschaft, 15 Prozent der hier lebenden Menschen wurden im Ausland geboren. Bei einer Fertilitätsrate von 1,4 kann der Bevölkerungsstand ohne Zuwanderung nicht aufrechterhalten werden. Die Auswirkungen eines Zuwanderungsstopps auf die Volkswirtschaft wären damit mittelfristig katastrophal. Die SPÖ muss beim Thema Integration in die Offensive gehen und darf sich nicht vor FPÖ/BZÖ hertreiben lassen. Nicht nur die staatspolitische Vernunft, vor allem auch das sozialdemokratische Prinzip, stets als Anwältin und Bewegung der Schwächsten in der Gesellschaft zu agieren, sollten die SPÖ-Führung dazu veranlassen, offensiv für Integration und für eine akzeptable Regelung der Zuwanderung einzutreten. Eine klare Linie in dieser Frage werden die meisten WählerInnen respektieren. Jene aber, deren Ausländerhass die subjektive Wichtigkeit anderer politischer Themen übersteigt, werden immer den blau-orangen Schmied, nie jedoch den roten Schmiedl wählen.

Für Gerechtigkeit im Bildungswesen: Die SPÖ muss weiter für die Gesamtschule eintreten. Teile des bürgerlichen Lagers konnten bereits mit Sachargumenten überzeugt werden, eine notwendige intensive Diskussion mit der Beamtengewerkschaft ist in diesem Zusammenhang unausweichlich Die Abschaffung der Studiengebühren wäre vor allem symbolisch wichtig, für die Lebensrealität der Studierenden noch relevanter dürften intensive Investitionen in die Verbesserung der Studienbedingungen sowie die Verhinderung von Zugangsbeschränkungen sein.

Der Autor dieser Zeilen wagt bei aller Vorsicht folgende Einschätzung: Die 2000er-Generation in den roten Jugendorganisationen, also jene personell relativ starken Jahrgänge, die unter Schwarz-Blau-Orange politisiert wurden, beobachten das Verhalten der SPÖ-Spitze wohl auch zukünftig mit Argusaugen. Die Reaktion der Jungen auf die Nichtabschaffung der Studiengebühren in der jüngsten Sitzung des Nationalrats zeigt schon jetzt, dass auch unter Werner Faymann nicht mit Kadavergehorsam zu rechnen sein wird.

Der Status einer Autorität entsteht nicht nur durch Posten, sondern vor allem durch Taten. Mit einem glaubwürdigen Engagement für sozialdemokratische Kernthemen hat der aktuelle Spitzenkandidat auch bei der 2000er-Generation die Chance, den Status einer Autorität zu erlangen. (DER STANDARD, Printausgabe, 12.7.2008)