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Im nächsten Sommer sind die Gewitter über dem zu groß geratenen Kitzbüheler Tennisstadion bereits völlig egal.

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Kitzbühel/Wien - Irgendwann hat praktisch jeder brave Kitzbüheler als Ballbub angefangen. Auch Gerhard Eilenberger (57), der es aber nicht deshalb zum Vizebürgermeister der Stadt geschafft hat. Seit vier Jahren ist er zudem Sportreferent. Ungefähr 50 Jahre muss es her sein, da hat der kleine Eilenberger Tennisbälle aufgeklaubt. Die waren noch weiß beziehungsweise vom Sand braun eingefärbt. Die gelben Kugeln sind erst viel später erfunden worden.

Dieter Küchenmeister war vor Eilenberger an der Reihe, er ist heute 72 Jahre alt. Der kleine Dieter ist irgendwie hängengeblieben, er wurde später Turnierdirektor. Fast 50-mal übte er das Amt aus, 2004 ging er in Pension. "Und ich bin froh darüber. Die Begeisterung der Gründerjahre ist längst vorbei. Es wurden Fehler gemacht, man hat nie den richtigen Ton untereinander gefunden. Leute wurden vergrämt, nur mit dem Kopf durch die Wand geht es nicht. Das ist das Geheimnis des Niederganges." Wobei auch Küchenmeister zu den geheimnisvollen Sturschädeln zählte. Er sieht das nicht so, schuld sind speziell in Tirol halt eher die anderen. "Ich empfinde große Wehmut."

Untergang einer Institution

Eine klassische Sportveranstaltung verschwindet, das am Montag anhebende Kitzbüheler Tennisturnier findet zum 63. und zum letzten Mal statt. Die ATP hat es bereits aus dem Kalender gestrichen.

"Der Untergang ist eine Geschichte von unfassbaren Fehlern und Größenwahn", sagt Peter-Michael Reichel, der die Damenturniere in Bad Gastein (ab Montag) und in Linz verantwortet. "Für das Tennis ist es eine Katastrophe, eine Säule des österreichischen Sports ist eingestürzt. Kleine Funktionäre waren einfach überfordert."

Als eine der Schlüsselpersonen sieht Reichel den Rumänen Ion Tiriac. Er war jahrelang der Partner des Tennisklubs. 1990 riet Tiriac zum Ausbau der Anlage ("Die ATP will das, wir können dadurch bedeutender werden"), die Gemeinde stellte das Grundstück zu Verfügung. Das Stadion ist viel zu groß geraten, dafür ist es in einem desolaten Zustand. Der Klub hat 1998 die Lizenz an Herrn Tiriac abgetreten, das Turnier wurde geldmäßig aufgewertet (mehr als verdoppelt). Die Dotation beträgt eine Million Dollar, das Teilnehmerfeld ist dafür immer unwürdiger geworden, das Publikum folglich ausgeblieben. Der Tennisklub hat die eigene Lizenz quasi zurückgeleast, er blechte pro Jahr 350.000 Euro an Tiriac. Und dem ist Kitzbühel längst wurscht geworden (vielleicht war er gekränkt, weil ihm einst keine Baubewilligung für ein privates Grundstück erteilt wurde). Tiriac hat nach Vertragsende die Lizenz an Madrid übertragen. Um kolportierte 4,5 Millionen Euro.

Mit dem Ausstieg des Hauptsponsors Generali vor zwei Jahren war es praktisch schon vorbei. Reichel: "Es war beeindruckend, wie man den Sponsor vertrieben hat." Generali zahlte rund 1,5 Millionen Euro pro Auflage. Jahrelang wurde darüber diskutiert, von Sand auf Hartplatz umzustellen, es blieb beim Gerede. Je höher das Preisgeld, desto mieser wurde das Starterfeld, zum Abschluss wird die Peinlichkeit ausgereizt. Nummer eins ist Paul Henri Mathieu, die Nummer 18 der Welt. Ihm folgen Titelverteidiger Juan Monaco und Andreas Seppi. Jürgen Pfauth, der zum zweiten Mal mit seiner Marketing-Agentur als Macher auftritt, spricht trotzdem von "Superstars". Der Golfclub Eichenheim, der unter dem Namen "Grand Tirolia" Sponsor ist, und hinter dem die russische Milliardärin Elena Baturina steckt, sieht das nicht so, er will (fast) nichts zahlen. Gerichte werden das später zu klären haben.

Ronald Leitgeb, Ex-Manager von Thomas Muster (Sieger 1993) und fürs Pörtschacher Turnier zuständig, teilt Reichels Einschätzung: "Keine Struktur, keine Ideen."

Der ehemalige Ballbub Eilenberger hat auch genug. "Man hat sich durch Freunderlwirtschaft den Todesstoß verpasst." Gemeinde, Tourismusverband und das Land Tirol unterstützten das Ding pro Jahr mit je 100.000 Euro. "Es kann nicht die Aufgabe der öffentlichen Hand sein, ein Profigeschäft zu fördern. Vielleicht machen wir irgendwann ein Challenger. Es gab nur noch einen Rahmen und kein Programm." Das Stadion bleibt jetzt Hansi Hinterseer allein überlassen. Eilenberger: "Seine Konzerte sind immer voll, erhalten sich selbst."

Hansi Hinterseer, ein ganz braver Kitzbüheler, ist selbstverständlich auch einmal Ballbub gewesen. (DER STANDARD Printausgabe 12.07.2008)