Die umfangreiche Videoschau des "steirischen herbstes" reklamiert unter dem Titel "hers" Video als "weibliches Terrain" und erstellt in vierzig Arbeiten einen audiovisuellen Parcours durch reale und fiktive Frauen-Bilder, Weiblichkeitsklischees oder Wunsch-Projektionen, berichtet
Isabella Reicher.
Ein Bild ist ein Bild ist ein Bild. Bilder von Frauen wurden lange fast ausschließlich von Männern und aus deren Blickwinkel gemacht. Dieser klassischen Verteilung von Positionen halten Künstlerinnen und Theoretikerinnen spätestens seit den 70er-Jahren eigene Revisionen und Images entgegen, die neue Verbindungslinien zwischen Bild und Betrachterin knüpfen. Die Bilder haben sich also gewandelt. Nichtsdestotrotz ist das Feld ihrer Produktion aber ein heiß umkämpftes, das es zu besetzen gilt: hers. Video als weibliches Terrain - im Titel der Videokunst-Ausstellung des steirischen herbstes steckt ein produktives Missverständnis. Wenngleich die überwiegende Mehrheit der ausgestellten Arbeiten auch tatsächlich von Frauen stammt, geht es in erster Linie um die "Darstellung von Frauen in medialen Bildern und Erzählungen" beziehungsweise um die "Auseinandersetzung mit ihrer medialen Repräsentation". hers ist außerdem keine historische Schau: Die gezeigten Arbeiten stammen aus der zweiten Hälfte der 90er-Jahre und Pipilotti Rists I'm Not The Girl Who Misses Much (1986) fungiert in diesem Kontext bereits als "Hommage" und vorläufiger Bezugspunkt. Die bewusste Entscheidung zugunsten aktueller Arbeiten, so die Ausstellungskuratorin Stella Rollig, hänge zum einen mit einer gegenwärtig feststellbaren Dominanz des Mediums im Kunstkontext zusammen. Zum anderen könne man diesen Umstand aber wiederum auch mit dem historischen "Erbe" in Verbindung bringen: Geschärfter Blick Die von Theoretikerinnen und Videopionierinnen in den vergangenen Jahrzehnten betriebene Praxis in Sachen Repräsentationskritik und Medienanalyse bzw. die daraus entstandenen neuen Sichtweisen, Positionen und Bildkonzepte haben die Wahrnehmung geschärft und man könne sie inzwischen als verinnerlichte Ausgangsposition avancierter Medienkunst annehmen. Darin liege auch eine Art Subthema der Schau. Die 22 Künstlerinnen und drei Künstler verfolgen in den insgesamt rund vierzig Beiträgen sehr unterschiedliche Strategien und Konzepte, zu denen nicht zuletzt auch ganz verschiedene, mitunter "interaktive" Präsentationsformen gehören. Es geht um reale und fiktive Frauen-Bilder und Weiblichkeitsklischees, um ihre kritische Analyse oder ihre lustvolle Aneignung, Umwertung, Übertreibung. So setzt etwa die Finnin Fanni Niemi-Junkola die Superheldinnen-Tradition mit ihren "Riesinnen" fort ( Giants ). Manche Arbeiten wählen eine dokumentarische Herangehensweise: Die US-Amerikanerin Diane Nerwen beschäftigt sich in Under The Skin Game mit ökonomischen Abhängigkeitsverhältnissen und Unterdrückungsmechanismen. In anderen Beiträgen kommen die Person beziehungsweise der Körper der Künstlerin als Anschauungsmaterial zum Einsatz - einfach oder gleich mehrfach ( The Amateurist , Miranda July ). Oder aber "gefundene" Bilder werden weiterbearbeitet und so einer eindeutigen Festlegung entzogen. Runa Islam löst in ihrer großflächigen Arbeit Tuin Rainer Werner Fassbinders Filmfigur Martha aus ihrer ursprünglichen Objektposition, indem sie eine Szene aus einer anderen Perspektive nachstellt. Die Frau mit oder vor der Videokamera - die neue Technologie erleichtert und beschleunigt, zumal durch die jüngste Schnittstelle von Video und digitalen Bildmedien, die (Wieder-)Aneignung und den Eingriff. Die "Besitzverhältnisse" - hers ist schließlich ein Possessivpronomen - werden allerdings nach allen Seiten permanent neu verhandelt. Die Videobilder, so schreibt Stella Rollig im Katalogtext, sind immer enger auch mit dem alltäglichen massenmedialen Bilder-Output verknüpft: "So schnell kann ein TV-Format, eine Sendung, ein Plot gar nicht kritisch analysiert werden, dass nicht bereits ein Folgeprodukt für Verweigerer und Distinktionssuchende auf Sendung ginge. So wie die Kommerzkultur laufend ihre Bilder und Klischees adaptiert, ist unsere Wahrnehmung und Beurteilung davon als Mittel der Selbsterkenntnis ständig produktiv in Fluss." Die Ausstellung lädt jedenfalls zum Verweilen und zum Wiederkommen ein. Also unbedingt auch zur aktiven weiterführenden Auseinandersetzung des Publikums mit "ihren" Bildern.
Landesmuseum Joanneum
Eröffnung: 27. 10.; bis 10. 12.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, Beilage 'Steirischer Herbst', 28. 9. 2000)