Sie war die berühmteste und sogleich letzte Wissenschafterin der Antike. Denn mit der Etablierung des Christentums wurden nicht nur die Philosophie und alle Folgewissenschaften verdrängt - und erst 1000 Jahre später in der Renaissance wiederentdeckt - , sondern viele aufklärerisch tätige Personen, besonders weiblichen Geschlechts, von christlichen Fanatikern brutalst ermordet. Obwohl der Patriarchalisierungsprozess im 4. Jahrhundert beinahe abgeschlossen war, hatten Frauen zu jener Zeit noch die Möglichkeit, an der Entwicklung von Wissenschaft maßgeblich mitzuwirken. Mehr als das, denn viele Pionierleistungen gehen auf Frauen zurück. Faktum ist jedoch, dass die patriarchale Lehr(sprich Leer-)formel, Frauen seien aufgrund ihres Geschlechts minderwertig, bereits das allgemeine Denken verseucht hatte. Dem zum Trotz stand Hypatia aus Alexandria im Ruf, mit ihrem philosophischen Scharfsinn die berühmtesten Männer ihrer Zeit zu übertreffen. Ihre wissenschaftliche Anerkennung war immens und viele reisten von weit her, nur um ihre Vorlesungen zu hören. Berühmt wurde Hypatia durch einen Kommentar in dreizehn Bänden zur "Aritmetica" des Diophant, in dem sie neue Lösungen zur Algebra entwickelt hatte. Nachhaltige Konseqenzen für den wissenschaftlichen Fortschritt brachte vor allem ihre Abhandlung zu den "Kegelschnitten", welche der neuzeitlichen Wissenschaft als mathematische Grundlage zur Berechnung der Ellipsenbahnen der Planeten diente. Diese gelten als eine Begründung für den Durchbruch des heliozentrischen Weltbilds. Auch als Erfinderin von Hydrometer und Astrolabium ging sie in die Geschichte ein. Mit Hilfe des ersteren kann das spezifische Gewicht von Flüssigkeiten angezeigt werden, das zweitere dient der Bestimmung des Stands der Sonne, der Sterne und der Tierkreiszeichen. Ihre Ausbildung hat Hypatia vermutlich ihrem Vater, seines Zeichens Mathematiker und Astronom sowie Direktor des Museions, der berühmtesten antiken Hochschule, zu verdanken. Nach dem Besuch des Museions und der Neuplatonischen Schule in Alexandria sowie Studien in Athen und Italien übernahm sie im Alter von 31 Jahren selbst die Leitung der Schule. Nicht nur aufgrund ihres "hellenistischen Wissenschaftsverständnisses" - dem des christlichen Glaubens entgegengesetzt - war sie den christlichen Würdenträgern ein Dorn im Auge. Vor allem ihr unabhängiger Lebensstil und ihre Ehelosigkeit machten die erklärte Nichtchristin und politisch einflussreiche Frau zu einer Provokation par excellence, die es zu entfernen galt. Im Alter von 45 Jahren fiel sie der christlichen Verfolgung - durch grausame Todesfolter - zum Opfer.