London - Was macht es schon für einen Unterschied, ob ein Mörder mit Vornamen "Matthew" oder "Wayne" heißt? Es kann sein Schicksal vor Gericht bestimmen, und zwar just durch jene, die wachsam sein müssten gegen Vorurteile: Ein britischer Psychiater hat 464 KollegInnen mit einem fingierten Mordfall getestet, sie sollten aufgrund einer schriftlichen Tatbeschreibung den Täter beurteilen: Hieß er wie ein braves Oberklassenkind "Matthew", wurde er milde beurteilt, die PsychiaterInnen sahen ihn als Kranken, der Hilfe braucht. Hieß er aber "Wayne", brachte ihn der Unterklassenname in Verdacht des Drogenmissbrauchs.Macht der Bilder Auch Bilder wirken, sogar dann, wenn sie so kurz ins Auge fallen, dass sie nicht registriert werden: In Tests mit weißen US-StudentInnen, die zu zweit eine Aufgabe am Computer lösen sollten, wurden manchen Bilder von Schwarzen auf den Schirm gespielt. Dadurch wurden ihre Stereotype aktiviert - und auf die weißen PartnerInnen übertragen, die Kooperation war schlecht. Zum Aktivieren von Vorurteilen braucht es wenig, dafür haben sie um so weitreichendere Folgen, nicht nur bei der Wahrnehmung von anderen, sondern auch im Selbstbild: In einem Test hat man ältere Menschen offiziell Aufgaben am Computer lösen lassen, weniger offiziell flimmerten über den Schirm - wieder unmerkbar kurz - Stereotype über das Alter, negative ("senil") und positive ("weise"). Die mit negativen Einflüsterungen machten sie im Verhalten wahr, sie gingen langsamer, zeigten ein schlechteres Gedächtnis und wurden krank: Ihr Herz raste, ihr Blutdruck stieg. Diese Selbstbeeinflussung durch Vorurteile ist nicht auf Ältere beschränkt, bei StudentInnen zeigte sich dasselbe. Und Bilder können einen Circulus vitiosus aufbauen: Jungen Männern und Frauen, die gleich gut Mathematik studierten, wurde vor einem Test ein TV-Werbefilm gezeigt, in dem Frauen die Rolle eher dümmlicher Modepüppchen hatten. Daraufhin sanken die Leistungen der Studentinnen, manche gerieten in solche Konflikte zwischen ihrer eigenen und der zugeschriebenen Rolle, dass sie den Studienschwerpunkt wechselten. Mit ähnlichen Tricks ließ sich die "Intelligenz" Schwarzer manipulieren. Für gewöhnlich schneiden sie in IQ-Tests schwächer ab als Weiße, aber nur dann, wenn man ihnen sagt, dass es ein IQ-Test und/ oder Vergleich der "Rassen" ist. Sagt man ihnen nichts, sind sie so gut wie Weiße, erinnert man sie aber leise - mit der Frage nach der Hautfarbe -, fallen sie wieder zurück. Andere können an Vorurteilen sterben: Obwohl Frauen und Männer gleich von Herzinfarkt gefährdet sind, suchen Frauen später ärztliche Hilfe und müssen in Hospitälern länger warten - Selbst- und Fremdstereotyp stimmen darin überein, dass es bei Frauen eher psychische Probleme sind, die sich als Herzschmerz zeigen. Dann sterben sie gar an gebrochenem Herzen: In den USA lässt man Frauen eher eine Erklärung unterschreiben ("Do not resuscitate"), die Wiederbelebungsversuche abwehrt. (New Scientist, Nr. 2258, S. 38) (jl) (D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 3.10. 2000)