Wien - Der Leitindex der Wiener Börse, der Fließhandelsindex ATX, wird neu definiert. In ihm sind bisher die wichtigsten Aktien nach der Unternehmensgröße gewichtet. So bestimmen etwa die Kursbewegungen der Bank Austria derzeit mit rund 24,5 Prozent die Kursbewegung des ATX, auf die OMV entfallen rund zehn Prozent, die verhältnismäßig kleine Libro steuert nur 1,5 Prozent bei.

Dem internationalen Trend folgend wird nun nicht mehr die reine Unternehmensgröße als Gewichtungsfaktor herangezogen, sondern lediglich der an der Börse handelbare "Freefloat", also der Streubesitz. Herausgerechnet werden ab nun Aktienpakete in fixen Händen, beispielsweise also der Anteil der AVZ an der Bank Austria oder die in Staatsbesitz befindlichen Anteile an den ÖIAG-Unternehmen Austrian Airlines, VA Tech, VA Stahl, OMV oder Austria Tabak.

Das hat zur Folge, dass kleinere Unternehmen mit hohem Streubesitz relativ stärker berücksichtigt werden als große Konzerne mit geringem Streubesitz.


Umschichtungen

Dies wird auch eine Umschichtung in den großen Fonds zur Folge haben. Denn vor allem internationale Fonds bilden in ihren Investments oft den Leitindex ab. Wenn etwa ein US-Pensionsfonds beschloss, eine Summe an der Wiener Börse zu investieren, entfielen dann gemäß der Gewichtung im Index auch die Investments auf die einzelnen Werte: Bank Austria also wieder rund 24 Prozent, OMV zehn Prozent etc. Wird nun der Index verändert, ziehen die Fonds bei ihren neuen und auch bestehenden Investments mit: Das wiederum bringt die Aktien, die schwächer gewichtet werden, unter Verkaufsdruck, und Aktien mit höherer Gewichtung werden vermutlich mit Kursgewinnen davon profitieren. In Österreich, so schätzt etwa der Chefanalyst der Fondsgesellschaft Capitalinvest, Paul Severin, werden die Aktien mit einem Streubesitz von 50 Prozent oder darüber in das Interesse der Anleger rücken, während etwa ÖIAG-Konzerne mit geringem Streubesitz eher unter die Räder kommen könnten.

Schlecht sieht es in dieser Hinsicht etwa für die krisengeschüttelten Austrian Airlines aus, die mit einem Steubesitz von nur rund 28 Prozent an Gewicht verlieren, während etwa die zu 75 Prozent in Streubesitz stehenden Böhler-Uddeholm kräftig gewinnen könnten. Aufgewertet wird die Bedeutung des ATX-Komitees: Beteiligungen über fünf Prozent gelten in Zukunft nicht mehr als Streubesitz, darunter müssen die Experten des Komitees entscheiden, ob hier ein strategischer Investor die Aktien hält oder ein Spekulant am Werk ist. (Michael Moravec, DER STANDARD, Printausgabe, 4.10.2000)