Sarajewo - Skepsis in Bosnien gegenüber dem Kandidaten der Opposition Mit großer Zurückhaltung und Skepsis reagiert man in Bosnien auf einen eventuellen Machtwechsel in Belgrad. Bisera Turkovic, Ministerin für europäische Integration in Bosnien-Herzegowina, meint, es werde keine dramatischen Änderungen in der serbischen Politik durch eine Ablöse von Slobodan Milosevic durch Vojislav Kostunica geben. Kostunica sei eben auch ein Nationalist. Mirza Hajric, außenpolitischer Berater des bosnischen Präsidenten Alija Izetbegovic, glaubt sogar, dass es für Kostunica leichter sei, ein Großserbien zu errichten, als für Milosevic, weil die internationalen Vorbehalte wegfielen. Franjo Topic, Präsident des kroatischen Kulturvereins "Napredak", ist ebenfalls skeptisch gegenüber Kostunica. Denn die serbische Opposition sei deswegen gegen Milosevic, weil er das Ziel eines Großserbiens nicht erreicht habe. Etwas optimistischer sieht der stellvertretende Außenminister Husein Zivalj einen möglichen Machtwechsel. Denn Kostunica habe die Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen zu Bosnien-Herzegowina ohne Vorbedingungen versprochen. "Wir erwarten Verbesserungen", sagte er im Gespräch mit dem Standard in der österreichischen Botschaft in Sarajewo. Er gibt jedoch zu bedenken, die serbische Opposition sei nicht auf demokratischer Basis organisiert. Furcht vor Kostunica Präsidentenberater Hajric "fürchtet" Kostunica. Denn Kostunica habe Milosevic nicht wegen dessen Kriegsverbrechen angeklagt, sondern wegen serbischer Gebietsverluste. "Kostunica ist ein Teufel, von dem wir nicht wissen, wohin er geht." Österreichs Botschafter in Sarajewo, Gerhard Jandl, berichtet, es gebe Bedenken, dass mit einem Machtwechsel viel westliches Geld nach Belgrad fließe, das dann in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo fehle. Die internationale Gemeinschaft müsse Bedingungen an die finanzielle Unterstützung knüpfen. (Josef Ertl/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.10.2000)