In einer Gesellschaft, die sich gerne als Bildungsgesellschaft feiern lässt, ist der Hochschulsektor von ungeheurer Bedeutung. Beträchtliche Budgetmittel werden eingesetzt, die künftige Elite erhält dort ihre Ausbildung, und da das Bildungsangebot der Europäischen Union immer stärker diversifiziert, haben wir in den nächsten Jahren mit einem ziemlichen Konkurrenzkampf um Studenten zu rechnen, in dem unsere Startposition nicht besonders gut ist.

Mit dieser Wichtigkeit des universitären Ausbildungssektors korreliert in peinlicher Weise das Desinteresse an Universitätsfragen in den vergangenen Jahren - ich kann mich an keine große Debatte über die "Employability" unserer Hochschulabsolventen erinnern. Zwar dürfen alle studieren, aber dass unsere Akademikerquote ziemlich klein ist und die Studienzeiten ziemlich lang sind, wurde irgendwie als unbedeutender Betriebsunfall eines Systems gewertet, das sich selbst lautstark als vorbildlich gepriesen hat.

Du hast deine Chance gehabt, Cowboy

Damit die Fronten also gleich klar sind: All die Leute - Hochschullehrer, Gewerkschafter, Politiker (regierende und oppositionelle) und Journalisten -, die seit Jahren mehr oder minder reaktionslos zur Kenntnis genommen haben, dass die durchschnittliche Studiendauer hierzulande mehr als sieben Jahre beträgt und die durchschnittliche Verweildauer so etwa in der Gegend eines Jahrzehnts liegt, sollten in der laufenden Debatte über die Studiengebühren den Anstand haben zu schweigen: "Du hast deine Chance gehabt, Cowboy, jetzt sei ruhig und hindere den nicht, der sich bemüht, den verfahrenen Karren aus dem Dreck zu ziehen."

Ich selbst, als Hochschullehrer und übrigens auch als Vater einer stattlichen Kinderschar, bin jedenfalls kein prinzipieller Gegner von Studiengebühren. Was mich nur ärgert, ist der überfallsartige Stil dieser Geldbeschaffungsaktion, und dass es keine Garantie gibt, dass die dabei lukrierten Summen zur Verbesserung des Studiums verwendet werden - auch nicht nach der nunmehr vom Finanzminister vorgeschlagenen (und durchaus diskutierenswerten) Einführung eines "Bildungsschecks".

Aber zurück zur eingangs angesprochenen Grundsatzfrage: Solange die Regierung Schröder sich noch etwas getraut hat und nicht darauf beschränkte, in den diversen CDU-Skandalen ihre Legitimationsgrundlage zu finden, hat man dort intensiv ein Maßnahmendreieck zur Hochschulreform diskutiert, das eine Aufnahmsprüfung für Studenten, Studiengebühren und eine konsequente Evaluierung der Lehrenden beinhaltet. Die Argumente, die dabei genannt wurden, gelten auch für Österreich und verdienen als erster Schritt einer umfassenden Hochschulreform Aufmerksamkeit:

1. Die Aufnahmsprüfung gibt der Hochschule und den Lehrenden die Chance, sich "ihre" Studenten auszusuchen. Übertreibungskünstler denken hier an gleich an "Selektion" und denunzieren diese Maßnahme entsprechend. Tatsächlich erspart sie allen Beteiligten - Studierenden, Lehrenden und Eltern - viel (Lebens-)Zeit und Geld.

Barriere gegen die Frustration

Es gibt regelmäßig vor allem unter den Anfängern ratlose Studenten, die bis zur Inskription nicht wissen, wohin sie eigentlich gehören, und die im Grunde nur dem Charme des Titels einer Studienrichtung verfallen, zu der sie keine innere Beziehung haben. Daraus resultiert häufig eine negative Motivation im Studienalltag. Was tut man in der Inskriptionsberatung mit einem Achtzehnjährigen, der Philosophie studieren will und auf Befragen kein einziges philosophisches Buch nennen kann, das er gelesen hat? Eine Universität, die jeden nimmt, handelt verantwortungslos und vernachlässigt ihre gesellschaftliche Servicefunktion.

2. Studiengebühren schaffen klare Verhältnisse. Faktum ist, dass die Steuerzahler den Hochschulbetrieb finanzieren und dass der Durchschnittsstudent einen Finanzaufwand von angeblich zirka 120.000 Schilling produziert. In der Scheinwelt des kostenlosen Studiums weiß im Grunde keiner, welche soziale Gruppe hier die andere alimentiert, wer bevorzugt und wer benachteiligt ist. Ist das wirklich demokratisch?

Zentrale Frage der Stipendien

Zudem wird - so sind die Menschen nun einmal - alles, was kostenlos ist, nicht wirklich geachtet. Allen Dementis zum Trotz ist ein gewisses Kostenbewusstsein und der damit verbundene Druck auf Eltern und Studierende ein brauchbares Instrument der Beschleunigung von Studien. Das Horrorszenario von mittellosen Studenten, die durch Studiengebühren vom Studium ausgeschlossen werden, ist durch Beihilfen und Stipendien abfederbar - ich denke daher, dass die Höhe dieser Beihilfen und die Kriterien, nach denen sie vergeben werden, im Zentrum sowohl der Verhandlungen wie auch der Kampfmaßnahmen der Studierenden stehen sollten.

3. Es laufen zwar Versuche der Evaluierung von Hochschullehrern, doch da sie mit dem Dienstrecht und der starren Gehaltsregelung verbunden sind, sind sie nicht ernst zu nehmen. Die diversen Hochschulberichte belegen, wie unterschiedlich die Zahl der von den Lehrenden betreuten Studentinnen und Studenten ist und welche Unterschiede es in der Forschungs- und Publikationsintensität gibt, von der schwer messbaren Qualität der Lehre gar nicht zu sprechen.

Leistung muss sich lohnen

Evaluierung als Instrument zur Förderung von Qualität und Leistung muss Sanktionen und Belohnung beinhalten. Wo liegt der Sinn einer Evaluierung, wenn international anerkannte Hochschullehrer/innen, die ihr Wissen an viele Studierende weitergeben, genauso entlohnt werden wie ihre leistungsschwachen Kollegen?

Die Prüfungsgelder, die jetzt abgeschafft werden sollen, hatten sicher ein leicht anachronistisches Element; gleichzeitig waren sie der letzte Rest einer leistungsbezogenen Bezahlung der an Hochschulen Lehrenden.

Es ist nicht einzusehen, warum jemand, der eine "Hauptvorlesung" mit 600 Hörern hält und zwei Ferienwochen damit verbringt, mehrseitige handschriftliche Elaborate zu benoten, genauso viel verdient wie jemand, der 15 nobel formatierte Seminararbeiten benotet. Wenn das viel besprochene "All-inclusive-Gehalt" diesen Einkommensverlust nicht ausgleicht, dann rät die wirtschaftliche Vernunft den Lehrenden, Großvorlesungen zu meiden - zum Schaden der Studierenden.

Alfred Pfabigan unterrichtet Kulturwissenschaften am Philosophischen Institut der Universität Wien; zahlreiche Publikationen zur österreichischen Geistesgeschichte (u. a. über Karl Kraus, Max Adler, Thomas Bernhard); soeben erschienen: "Die Enttäuschung der Moderne" und "Gottes Verbotene Worte" (Eichborn).
* Zur Diskussion pro und kontra Studiengebühren an dieser Stelle bisher erschienen: Beiträge von Sebastian Paulick, A. Altmann, Julian Rauchdobler (22. 9.), Karl Heinz Gruber (29. 9.), Max Haller und Wolfgang Müller-Funk (5. 10.)