S. Hilpold

St. Pölten – Sieht so ein Shakespearescher Liebhaber aus? Rote Schlabberhosen, enges T-Shirt, auf dem Haupt ein Käppchen, am jugendlichen Kinn ein Bärtchen. Auf die Bühne stürzt dieser Orlando des Daniel Kamen mit einer Leiter unterm Arm und sprüht erstmal seines Bruders Residenzwände voll, mit einem Spruch, der sich nicht ziemt. Orlando im Stadttheater St. Pölten: ein Stürmer und Dränger, der gegen Bruder Oliver rebelliert und mit seinem flackernden Blick wohl die ganze Clique der Mächtigen meint: all die gepuderten Hofschranzen.

William Shakespeares Liebesreigen Wie es euch gefällt ist in der aufgefrischten Inszenierung Klaus-Dieter Wilkes in den ersten Minuten kaum wieder zu erkennen – um sich danach umso detailgenauer zu präsentieren. Die breite Garagentür des Bühnenbildners Jürgen Aue fährt nach oben, es erscheint ein Säulensalon, der sich später geschickt in einen Sommernachtswald wandeln wird. Auf dem Sofa räkeln sich des Herzogs Tochter Rosalinde (Lisa Wallmann) und ihre Cousine Celia (Maria Schwarz). Zusammen fliehen die zwei androgynen Gören vom Hofe und veranstalten ein munter-launisches Verwechslungsspiel – das Herzstück der Shakespeare'schen Komödie: Eine Travestieshow, die den jungen Orlando in seiner Liebe zu Rosalinde beinahe um den Verstand bringt. Und die Inszenierungskünste Wilkes gehörig reizt.

Denn die ständig wechselnden Paare und Passanten, aus deren Mündern vertrackt-witzige Verse sprühen, sind so kunstvoll ineinander verflochten, dass ein Regisseur erst trennen und dann wieder zusammenfügen muss: die höfische Atmosphäre aus Willkür und Neid, die Waldesidylle, die bärtewallende Schäferwelt. Am Ende, wenn der Augenschein endgültig hinters Licht geführt wurde, wird dann alles eins sein.

Auf der Stadttheaterbühne vertraut man von Anfang an auf alles ein wenig, am meisten allerdings auf die Worte Shakespeares und den eigenen verspielten Witz. Recht jung ist man dabei, ziemlich brav und ziemlich bemüht. Wie es sich gehört.
Stadttheater, 3100 St. Pölten, Rathausplatz 7-10. (02742) 35 20 26-19, wieder am 11. 10.
19.30
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6. 10. 2000)