Wien - Der für die Ermittler wichtigste Teil der Tagebuchaufzeichnungen Alexandra Schriefls könnte samt der Handtasche des Mordopfers verschwunden sein. Das erklärte Hannes Scherz vom Wiener Sicherheitsbüro am Donnerstag im STANDARD-Gespräch. Die Tasche der 1988 in Wien-Favoriten vergewaltigten und erdrosselten 20-Jährigen konnte am Ort des Verbrechens nicht sichergestellt werden. Auch in den Wohnungen des am Sonntag festgenommenen Tatverdächtigen, Herbert P., fanden die Ermittler nichts. Wie berichtet, verzeichnete Schriefl ihre Liebhaber in einem Tagebuch. Der 32-jährige P., auf ihn waren die Kriminalisten nach zwölf Jahren aufgrund biologischer Spuren gekommen, ist darin nicht angeführt - obwohl er behauptet hatte, mindestens zweimal Sex mit der Verkäuferin gehabt zu haben. So erklärte der Verdächtige auch, wie sein Sperma an die Leiche der Frau gekommen war. Jene Seiten nun, die über den fraglichen Zeitraum und einen Kontakt zwischen Schriefl und P. Auskunft geben könnten, fehlen in dem Kalender allerdings. Ein Umstand, den der Verteidiger des Verdächtigen nützen könnte - auf den fehlenden Seiten hätte Herbert P. ja verzeichnet gewesen sein können. Mehr Hinweise dazu haben die Ermittler indes bei Zeugenbefragungen erhalten. Ein gutes Dutzend Bekannte Herbert P.s wurden inzwischen einvernommen, allesamt wussten von einer Beziehung des mutmaßlichen Täters zu der 20-Jährigen nichts. P. selbst dagegen blieb auch vor U-Richterin Elfriede Schmid bei den Aussagen, die er bei der Polizei gemacht hatte. Noch Mittwochabend wurde wegen "dringenden Tatverdachtes" die U-Haft über den mutmaßlichen Vergewaltiger und Mörder verhängt. Auf ähnliche Weise wie Schriefl wurde im Februar 1989 die 10-jährige Christina Beranek umgebracht: Das Kind wurde in einem Stiegenhaus der Per-Albin-Hansson-Siedlung sexuell missbraucht, erdrosselt und mit ihren Kleidungsstücken an das Stiegengeländer gefesselt. Biologische Spuren konnten die Ermittler am Leichnam Beraneks nicht feststellen. Den Kriminalisten zufolge spricht dennoch vieles dafür, dass P. auch Beranek ermordet haben könnte. Vor allem die Knoten in den Kleidungsstücken ließen auf die "Handschrift" eines Täters schließen. (Christoph Prantner; DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6.10.2000)