Geschlechterpolitik
Verfassungsreform für den Frieden
Sri Lankas Präsidentin will bei den Parlamentswahlen Zweidrittelmehrheit gewinnen
Colombo/London - Eine Mehrheit von zwei Dritteln, und keine Stimme weniger, strebt die Volksallianz (PA) von Sri Lankas
Staatspräsidentin Chandrika Kumaratunga bei den für Dienstag angesetzten Parlamentswahlen an. Denn nur ein solches
Votum würde den Weg frei machen für die Verabschiedung jener Verfassungsreform, die Kumaratunga als unerlässlich für die
Wiederherstellung des Friedens hält.
Der Krieg gegen die Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) ist militärisch nicht zu gewinnen, gestand die Präsidentin jüngst
ein und setzt ihre Hoffnungen nun auf eine politische Lösung mit der Reform als Kernpunkt. Diese soll allen Landesteilen
mehr Selbstverwaltung einräumen, auch jenen, in denen die landesweit in der Minderheit befindlichen Tamilen die Mehrheit
stellen. Die Autonomie, rechnet Kumaratunga, würde die Unterstützung für die LTTE untergraben, die seit 17 Jahren für einen
unabhängigen Tamilenstaat kämpft.
Der Krieg hat bereits über 65.000 Menschenleben gekostet. Auch in der jüngsten Kampagne wurden mehrere Politiker und
zahlreiche ZivilistInnen Opfer von der LTTE zugeschriebenen Selbstmordattentaten. Kumaratunga selbst war Ende vorigen Jahres
bei einem Bombenanschlag schwer verletzt worden.
Reformstau
Die von ihr geplante Verfassungsreform war mangels Mehrheit im Parlament bisher nicht umzusetzen. Ein Versuch, sie vor
der Auflösung des Parlaments im Sommer rasch durchzudrücken, scheiterte kläglich am Widerstand der oppositionellen UNP
(Vereinigte Nationalpartei).
Prominente Vertreter des buddhistischen Klerus laufen ebenfalls Sturm gegen das Projekt, da es ihrer Ansicht nach die
singhalesisch-buddhistische Kultur untergraben würde. 74 Prozent der 19 Millionen Sri LankerInnen sind (zumeist buddhistische)
SinghalesInnen, 18 Prozent (vorwiegend hinduistische) TamilInnen.
Kaum einE BeobachterIn aber rechnet damit, dass Kumaratungas PA bei dem Urnengang am Dienstag das gewünschte klare
Mandat erhält. Von der Bereitschaft der PA und UNP, endlich doch zusammenzuarbeiten, wird daher die weitere Entwicklung
abhängen. Es sei denn, Kumaratunga, deren Eltern, die Exregierungschefs Solomon und Sirimavo Bandaranaike, durch eine
gezielte Diskriminierung der TamilInnen in den 50er- und 60er-Jahren den Konflikt heraufbeschworen hatten, setzt anders an: Sie
könnte, hat sie angedeutet, das neue Parlament zur Konstituante erklären und dann mit einer einfachen Mehrheit ihre Reform
verabschieden.
STANDARD-Mitarbeiterin
Brigitte Voykowitsch
(D
ER
S
TANDARD
, Print-Ausgabe, 7./8.10. 2000).