Formentor/Spanien - Der palästinensische Präsident Yasser Arafat hat den israelischen Regierungschef Ehud Barak für die blutigen Unruhen im Westjordanland und im Gazastreifen mitverantwortlich gemacht. Der umstrittene Besuch des Likud-Chefs Ariel Sharon auf dem Jerusalemer Tempelberg, der die Zusammenstöße auslöste, sei von Barak entgegen dem Rat der Armeeführung genehmigt worden, sagte Arafat am Samstag auf der spanischen Mittelmeerinsel Mallorca. Dies sei eine geplante "Provokation" und "eine politische Entscheidung" gewesen, die zu einem "Massaker" an den Palästinensern geführt habe. Arafat warf der israelischen Regierung eine "Politik der vollendeten Tatsachen" vor. Israel sage der Welt, dass es den Frieden nicht will. "Wir bitten Israel, mutig seine Hand zu reichen und alle Abkommen zu erfüllen, damit Vernunft, Weisheit und Frieden die Besetzung und die Kolonisierung besiegen." Zugleich rief er die internationale Gemeinschaft und insbesondere Europa und die USA erneut auf, sich für einer Wiederaufnahme des Dialogs einzusetzen. Bilder wie die des palästinensischen Jungen, der während eines Schusswechsels zwischen die Fronten geriet und von einer Kugel tödlich getroffen wurde, dürften sich nicht wiederholen. Formentor-Forum Spaniens Ministerpräsident Jose Maria Aznar sagte Arafat seine Unterstützung zu. "Die Situation ist sehr ernst, vor allem für die Palästinenser." Auf Mallorca nahm Arafat an einer internationalen Konferenz über die Sicherheit im Mittelmeer-Raum teil. Zu dem so genannten Formentor-Forum, das nach der gleichnamigen mallorquinischen Ortschaft benannt ist, war auch Israels Außenminister Shlomo Ben-Ami eingeladen worden. Er sagte aber ab. Unterdessen äußerte sich US-Präsident Bill Clinton erleichtert, dass es an dem von den Palästinensern ausgerufenen "Tag des Zorns" nicht zu noch mehr Gewalttaten gekommen sei. Es sei ein schwieriger Tag gewesen, aber er habe noch Schlimmeres befürchtet, sagte Clinton am Freitag in Washington. Beide Seiten hätten Schritte unternommen, die Lage zu entspannen. Bei Zusammenstößen mit israelischen Sicherheitskräften wurden am Freitag zehn Palästinenser erschossen. Seit Ausbruch der Unruhen vor neun Tagen sind damit 77 Menschen, meist Palästinenser, getötet und rund 1.900 verwundet worden. Proteste in mehreren arabischen Staaten In Jordanien kam es am Freitag zu Protesten vor den Botschaften Israels und der USA. Die Polizei setzte Schlagstöcke und Tränengas gegen die rund 5.000 Demonstranten ein, die ihrerseits Steine auf die Sicherheitskräfte schleuderten. Ähnliche Szenen spielten sich in der Nähe der US-Botschaft in Damaskus ab. In Tunis demonstrierten rund 10.000 Menschen im Beisein von Präsident Arafat und seinem tunesischen Kollegen Zine El Abidine Ben Ali, um ihre Unterstützung für die Palästinenser auszudrücken. UNO Der UNO-Sicherheitsrat in New York beriet unterdessen über eine Resolution zu den jüngsten Unruhen. Während die Palästinenser auf eine Verurteilung Israels dringen, macht Israel die Palästinenser für den Ausbruch der Gewalt verantwortlich. Ein neuer Resolutionsentwurf verurteilt lediglich den "übermäßigen Einsatz von Gewalt gegen die palästinensische Bevölkerung" und bedauert "die Provokation" vom 28. September, als der rechtsgerichtete israelische Politiker Ariel Sharon den Tempelberg besuchte. Die Palästinenser haben eine internationale Untersuchung der Gewalt gefordert, was Israel ablehnt. Es war zunächst unklar, ob die Vetomacht USA dem Resolutionsentwurf zustimmen würde. (APA/AP)