Silberglitzernde Regenbogenfische aus Stoff liegen auf dem kleinen runden Tisch in der Mitte des Zimmers, daneben ein blaues Mini-Sofa. Auf dem Boden Brettspiele, rechts eine Schreibtafel mit Rechenschieber. Im Büro von Monika Pinterits haben Kinder Vorrang - hier zählen allein sie, was sie fühlen und was sie denken. Seit Juli 1999 setzt sich die dynamische 47-jährige als Wiener Kinder- und Jugendanwältin für die Rechte von Minderjährigen ein. "Kinder haben in Österreich keine Rechte", sagt sie. "Sie brauchen deshalb eine neutrale Person, die für sie sprechen kann. Monika Pinterits kämpft täglich für Kinder und Jugendliche aller Gesellschaftsschichten - für Missbrauchsopfer, Opfer von Gewalt oder versucht, in Pflegschaftsgeschichten oder bei Problemen mit den Eltern zu helfen. "Das Wichtigste dabei ist, den anderen ernst zu nehmen, zuhören zu können, sich einzufühlen und kreativ zu denken und zu handeln. Kinder werden zum Beispiel meist nicht gefragt, ob sie bei einer Scheidung das Besuchsrecht wollen - wir fragen sie. Bei Jugendlichen geht es mir auch sehr darum, dass sie den Draht zu ihren Eltern wieder finden." Absolute Vertraulichkeit Sehr oft kämen Jugendliche einfach direkt ins Büro, weil sie alleine nicht mehr weiterwüssten, viele suchten aber auch telefonisch Rat oder würden von Freunden überredet, hinzugehen. Die Gespräche werden absolut vertraulich behandelt; wer nicht will, muss nicht einmal seinen Namen sagen: "Nur einen Nickname, damit ich ihn beim nächsten Anruf wiedererkenne". Die Kinder- und Jugendanwältin drängt ihre Hilfe nicht auf; sie tut nichts, was der andere nicht voll akzeptieren kann. "Über Freiwilligkeit geht sehr viel mehr. Ich biete an, was man tun kann und was die Jugendlichen damit machen, das bleibt ihnen überlassen. Gerade beim Thema sexueller Missbrauch muss man Zeit haben, um zu warten. Man muss mit dieser Sache sehr sensibel umgehen, denn wenn es später wirklich zu einer Anzeige kommt, dann muss das gut vorbereitet sein, damit es dem Opfer dann nicht noch schlechter geht". Aber es gäbe sehr wohl auch Toleranzgrenzen: "Wenn man sieht, dass Kinder oder Jugendliche in einer Gewaltspirale sind, dann muss man eingreifen. Oft muss man dabei sehr erfinderisch vorgehen, um heikle Situationen zu vermeiden. Das Schwierige dabei ist, die Anonymität aufzuheben, um helfen zu können, ohne das Vertrauen der Betroffenen zu verlieren. Da sind die Grenzen schwer auszuloten." Bei ihrer täglichen Arbeit setzt Pinterits sehr auf Aktionismus und versucht dabei, etwas abseits der ausgetretenen Wege zu gehen: Projekte, Events und kreative Sponsoren-Suche stehen auf der Tagesordnung: "Ich werde oft schnell als "Revoluzzerin" gesehen, denn was nicht den vorhersehbaren bürokratischen Abläufen entspricht, wird kritisch beäugt. Aber ich bin eine "sanfte Revoluzzerin": Ich setze durch, was ich will, kann aber dabei gut mit Menschen umgehen und berücksichtige sie - ich haue nicht einfach drein, sondern schaue mir den anderen und seine Strategien an." Nur "Büromaus" zu sein, das läge ihr nicht, das sei einfach nicht sie, und so würde man den Jugendlichen auch nicht näher kommen: "Man muss dort stehen, wo die Jugendlichen sind und dann die Erwachsenenposition dazugeben und ihnen zeigen, dass man sie versteht. Dann kommen sie alle wieder." Auskünfte über Kinder- und Jugendanwaltschaften in den Bundeländern erteilt ebenfalls die Wiener Landesstelle. -------- Titel: DSA (Diplomierte Sozialarbeiterin) Name: Monika Pinterits Alter: 47 Jahre Beruf/Bezeichnung der Tätigkeit: Wiener Kinder- und Jugendanwältin Familienstand: geschieden dieStandard.at: Wo leben, bzw. arbeiten Sie? Monika Pinterits: In Wien dieStandard.at: Was war Ihr letztes Projekt/Ihre letzte Tätigkeit? Monika Pinterits: Mitarbeiterin im Büro Vizebürgermeisterin Laska dieStandard.at: Welche Aus-, bzw. Weiterbildung haben Sie gebraucht, um diesen Job ausführen zu können? Monika Pinterits: Spezielle Fähigkeiten wurden in der Ausschreibung des Postens beschrieben wie Kommunikationsfähigkeit, Erfahrung im Bereich Kinder und Jugendschutz, Leitungserfahrungen etc. Meine Grundprofession ist Sozialarbeiterin, ich besuchte diverse Fort-und Weiterbildungsmodule und mache derzeit eine Managementausbildung. dieStandard.at: Was ist Ihre genaue Funktion/Tätigkeit? Monika Pinterits: Leiterin der Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft gemeinsam mit meinem Kollegen Dr. Schmid, da Wien zwei Kinder- und Jugendanwälte besitzt. Meine Tätigkeit ist sehr umfangreich: sämtliche Belange die Kinder- und Jugendliche in Wien betreffen, Begutachtung von Bundes- bzw. Landesgesetzen, Casework( Einzelfallhilfe) - z.B. bei Gewalt, Obsorgeregelungen, Verselbstständigung, Projektarbeit, Anregungen bezüglich Veränderungen (Verbesserungen) für Jugendliche und Kinder, Öffentlichkeitsarbeit,... dieStandard.at: Wie sieht so ein "typischer Alltag" in Ihrem Job aus? Monika Pinterits: Die Arbeit als Kinder und Jugendanwältin ist sehr spannend und abwechslungsreich, daher gibt es auch keinen typischen Ablauf, da insbesondere der Bereich Öffentlichkeitsarbeit sehr von den Reaktionen der Medien abhängt. In Krisenfällen ist es mir ein Anliegen, sofort zu unterstützen - oftmals kommen Jugendliche ohne vorherige Anmeldung und mein Anspruch ist es für sie gleich Zeit zu haben. Tagtägliche Abläufe sind Medienbeobachtung um sofort auf relevante Themen reagieren zu können, Teamarbeit und Modifizierung möglicher Inhalte. dieStandard.at: Was macht Ihnen an der Arbeit besonders Freude? Monika Pinterits: Autonom arbeiten zu können, Vielfältigkeit der Inhalte dieStandard.at: Was ärgert Sie besonders und was würden Sie deshalb gerne verbessern? Monika Pinterits: Das zu geringe Budget (z.B. für Projekte oder Forschungsaufträge). Eine Bitte an die MedienvertreterInnen: mehr Öffentlichkeit für die Anliegen von Kindern- und Jugendlichen und die Rechtlosigkeit der Zielgruppe. In der Arbeit mit der Justiz und Bürokratie würde ich mir manchmal viel Macht wünschen um sagen zu können: "Ihr macht das und aus!" Pflegschaftsrichter sollten eine spezielle Ausbildung dafür bekommen und es sollten Standards für gerichtliche Gutachter festgelegt werden, damit es nicht mehr passieren kann, dass bei einem Gutachten z.B. einfach nicht mit Mutter und Kind gesprochen wird. Manchmal werde ich da wirklich wütend: Man kann Menschen nicht verwalten! dieStandard.at: Welche Aufstiegsmöglichkeiten haben Sie in Ihrem Job? Monika Pinterits: Da ich Leiterin der Kinder- und Jugendanwaltschaft bin habe ich innerhalb meiner Dienststelle keine Möglichkeiten mehr. dieStandard.at: Was möchten Sie darin gerne noch erreichen? Monika Pinterits: Wenn es möglich ist eine weitere Periode in meinem derzeitigen Berufsfeld arbeiten, da man als Kinder- und Jugendanwältin nur für fünf Jahre bestellt wird dieStandard.at: Haben Sie ein berufliches Vorbild? Monika Pinterits: Nein dieStandard.at: Was war Ihr bisher größter beruflicher Erfolg? Monika Pinterits: Erfreulicherweise konnte ich bisher bei all meinen Tätigkeiten berufliche Erfolge erzielen. dieStandard.at: Und die größte "Niederlage"? Monika Pinterits: Gesetzliche Regelungen, die die Situation von Kindern bzw. Jugendlichen verschlechtert haben dieStandard.at: Warum ist es gerade dieser Beruf/Job geworden und was wäre es geworden, wenn Sie nicht darin gelandet wären? Monika Pinterits: Eigentlich landete ich eher zufällig in diesem Bereich - aber da es ja bekannterweise keine Zufälle gibt, stimmt meine Berufswahl sehr gut für mich - ich glaube ich würde wieder in der Sozialarbeit landen. dieStandard.at: Angenommen, Sie hätten die Möglichkeit, am allgemeinen Bild Ihres Berufs etwas zu verändern - was wäre das? Monika Pinterits: Parteistellung für Kinder bzw. Jugendliche vor Gericht dieStandard.at: Welche "Tricks" wenden Sie an, damit Ihr Job für Sie interessant bleibt und nicht nur tägliche Routine ist? Monika Pinterits: Da wie - bereits beschrieben - die Arbeit sehr bunt ist, benötige ich keinerlei "Tricks". dieStandard.at: Welche Ausbildung/Tipps würden Sie heute einer jungen Frau raten/mitgeben, die von Ihrem Beruf begeistert ist und einsteigen möchte? Monika Pinterits: Wenn jemand an meiner Arbeit Interesse hat, kann er sich gerne mit mir in Verbindung setzen. Wichtig ist, dass sich Frauen viel zutrauen, denn Frauen können in allen Bereichen alles erreichen. dieStandard.at: Ist Gleichberechtigung am Arbeitsplatz in Ihrem Job (noch) ein Thema? Monika Pinterits: Innerhalb der Dienststelle ist Gleichberechtigung kein Thema - denn im sozialen Bereich sind eher weniger Männer tätig. Der Grund dürfte sein, dass Frauen meist eine höhere soziale Kompetenz besitzen ( tut mir leid, aber das denke ich wirklich) - und Sozialarbeit ist nicht wirklich gut bezahlt. dieStandard.at: Welche Bedeutung hat es in Ihrem Job, dass Sie als Frau diese Tätigkeit ausüben? Monika Pinterits: Es ist notwendig, dass Frauen Führungspositionen einnehmen - leider trauen sich Frauen das noch immer viel zuwenig zu und arbeiten vorrangig im Basisbereich. Diese These ist für den sozialen Bereich nicht ganz stimmig - jedoch in anderen Berufen Realität. Frauen können und sollen Verantwortung übernehmen um vermehrt aktiv gestalten zu können. dieStandard.at: Was war das erfreulichste Erlebnis, an das Sie sich als Frau in Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit erinnern können? Monika Pinterits: Zuletzt unser Projekt "Call and M@il" - Jugendliche beraten am Telefon und per E-Mail. Das Engagement und die Kompetenz der jugendlichen BeraterInnen hat mich sehr beeindruckt. dieStandard.at: Und was das enttäuschendste? Monika Pinterits: Trotz Grübeln fällt mir keines ein. dieStandard.at: Was wollten Sie als Kind immer werden? Monika Pinterits: Erwachsen dieStandard.at: Und was war dann der angestrebte (Traum-)Beruf? Monika Pinterits: Vorerst Modedesignerin - aber für Sozialarbeit benötigt man ähnlich viel Kreativität. dieStandard.at: Welchen Einfluss von außen (Freunde, Eltern, Vorbilder,..) hatten Sie bei Ihrer Berufwahl? Monika Pinterits: Die Berufswahl hat sich aus persönlicher Weiterentwicklung und Lebenserfahrungen ergeben - dazu waren auch sicher meine Familie und Freunde ausschlaggebend. dieStandard.at: Was bedeutet für Sie Stress und was tun Sie, um ihm zu entkommen? Monika Pinterits: Ich arbeite sehr gerne - und bin der Meinung, dass gesunder Stress nicht schädlich ist - ich hoffe es stimmt. dieStandard.at: Was bedeutet für Sie ausspannen? Monika Pinterits: Natur, Urlaub (möglichst mit viel Meer), lesen, ..... dieStandard.at: Bleibt in Ihrem Job noch genug Freizeit über und was tun Sie dann am liebsten? Monika Pinterits: gute Filme anschauen (empfehlenswert ist der Film "Luna Papa") und mich mit FreundInnen treffen. dieStandard.at: Was macht Ihnen im Leben Angst? Monika Pinterits: Krieg, Intoleranz, Ignoranz, .... dieStandard.at: Und was stimmt Sie zuversichtlich? Monika Pinterits: Aktionen wie z.B. das Lichtermeer: Viele Gleichgesinnte, die sich politisch und sozial engagieren - leider abfällig genannt "Gutmenschen" dieStandard.at: Wenn Sie Fee für eine Stunde wären - was würden Sie sofort verändern? Monika Pinterits: Ich würde mir wünschen, für immer Fee zu sein um möglichst viel verändern zu können dieStandard.at: Welche drei Bücher, bzw. Internet-Adressen (Urls) sollte frau unbedingt haben/kennen? Monika Pinterits: - Die Wolfsfrau - Siddharta - Veronika beschließt zu sterben -Mail der Kinder-und Jugendanwaltschaft: post@kja.magwien.gv.at , -Frauenbüro-Seite: http://www.wien.gv.at/ma57/ -KonsumentInnenkritik-Seite: http://ciao.com dieStandard.at: Und zum Abschluss: Welche drei Dinge würden Sie auf eine einsame Insel mitnehmen und warum? Monika Pinterits: Ein Boot - damit ich, wenn es mir reicht, die Insel verlassen kann Viele Bücher - zur Entspannung und Weiterbildung Zigaretten - wobei ich hoffe, irgendwann einmal nicht mehr zu rauchen, derzeit aber leider noch ein "Must" Isabella Lechner