Frankfurt - Der taumelnde Euro hat vorerst Halt gefunden - für eine Entwarnung ist es jedoch noch zu früh. Zwar präsentiert sich die
Gemeinschaftswährung im Vergleich zum rapiden Abwärtskurs der vergangenen Monate ungewohnt stabil. Aber weder mit den massiven
Interventionen noch mit der jüngsten Zinserhöhung hat die Europäische Zentralbank (EZB) eine Trendwende einleiten können. Die Experten
sind sich zwar einig, dass die Erholung des Eurokurses näher rückt. Bevor die Gemeinschaftswährung aber erstmals seit Anfang 2000 wieder
Anlauf auf die Dollar-Parität nimmt, könnte sie sogar noch einmal auf ihren Tiefkurs von gut 0,84 Dollar zurückfallen.
"Der Boden ist bis auf weiteres eingezogen - aber es ist sehr dünnes Eis, auf dem der Euro steht", urteilt der Chefvolkswirt der Dresdner
Bank, Klaus Friedrich. "Wir schließen nicht aus, dass der Markt den Euro noch mal testen wird." Dann lautet die Frage: Sind die Amerikaner
wieder bereit, zusammen mit den Europäern auf den Devisenmärkten zu intervenieren - oder bleibt die EZB auf sich gestellt? Nach
Schätzungen der "Börsen-Zeitung" hatte allein die EZB - ohne die Notenbanken in New York, Tokio und London - Ende September knapp
3,2 Mrd. Euro (44,0 Mrd. S) aus dem Markt genommen. Das Gesamtvolumen der Intervention taxiert das bankennahe Blatt auf 5,6 Mrd.
Euro.
Entwicklung "im Konzert" beobachten
EZB-Präsident Wim Duisenberg hat unmissverständlich deutlich gemacht, dass man die Entwicklung "im Konzert" mit den Partnern genau
beobachte, um notfalls erneut zuzuschlagen. Allerdings ist nach Friedrichs Meinung unklar, ob die Amerikaner angesichts des laufenden
Kampfes zwischen Al Gore und George Bush jr. um die Präsidentschaft nochmals derart spektakulär zu Gunsten des Euro eingreifen werden.
Zwar ist die US-Industrie wegen schwindender Exportaussichten nicht mehr bereit, den hohen Dollar-Kurs zu akzeptieren. Sollte es aber zu
neuen Interventionen kommen, "könnte ein konservativer Texaner öffentlichkeitswirksam sagen: die verkaufen Dollar und schwächen unsere
Währung", beschreibt Friedrich die Unwägbarkeiten während des laufenden Wahlkampfes in Anspielung auf Bush.
Vorerst besteht zu neuen Interventionen allerdings auch kein Anlass. Nachdem die Notenbanken den Euro am 22. September fast auf die
0,90-Dollar-Schwelle gehievt hatten, bröckelte der Kurs der Gemeinschaftswährung zwar wieder auf rund 0,87 Dollar, hält sich aber seit
Tagen stabil an dieser Marke. "Die EZB hat gezeigt, dass sie das Heft in der Hand hält", heißt es bei Frankfurter Devisenhändlern. Es sei
bemerkenswert, dass Spekulanten nach der Intervention vor gut zwei Wochen nicht mehr versuchen, den Euro auf neue Tiefs zu drücken.
Auf absehbare Zeit dürfte sich nach Experten-Meinung ohnehin das Aufwertungspotenzial der Gemeinschaftswährung zeigen: "Die
fundamentalen Daten ändern sich jetzt. Die Konjunkturdynamik in Amerika und Europa nähert sich an", ist Friedrich überzeugt.(dpa)