Florenz - Tagsüber sind die Rollläden geschlossen, und man vermutet lediglich einen verwaisten Eckladen in der vom Kunsttourismus verschont gebliebenen Via San Niccolò in Florenz. Oder hat Robert Barry sein legendäres Statement über Stand und Zustände der Gegenwartskunst "Während der Dauer der Ausstellung bleibt die Galerie geschlossen" aus dem Jahr 1969 unkommentiert und damit definitiv eingelöst? Weit gefehlt. Pünktlich um 18 Uhr, besucherfreundlich zwischen Siesta und Cena eingeschoben, öffnet sich der Blick auf das wohl interessanteste unabhängige Kunstprojekt der Toskana, das dann bis Mitternacht als vollerleuchtete Vitrine einsehbar ist: BASE, ein von rund einem Dutzend Künstler betriebener Non-Profit-Ausstellungsraum. BASE ist wortwörtliche Grundlagenarbeit in der Stadt von Donatello, Michelangelo und Co, einer Metropole, deren Bezug zu Tendenzen der Gegenwart mit dem Ende selbstverwalteter Open Spaces wie Zona in den 80er-Jahren abgerissen ist. BASE, so Paolo Parisi, der zum harten Kern der fünf Programmgestalter zählt, sei längst überfälliger Nachhilfeunterricht in puncto "Kunst muss nicht nur, kann aber auch schön sein", also der Brückenschlag zwischen italienischer Bellezza und zeitgemäßem Concetto. Persönliche Vorlieben, vor allem aber internationale Kontakte zu relevanten Künstlern, im kreativen Inseldasein der Stadt Florenz hart erarbeitet, speisen das Programm, das so heterogen ist wie die Gruppe der Künstler-Kuratoren selbst. Als Maurizio Nannucci (Jahrgang 1939) Mitte der 60er-Jahre mit seinen Untersuchungen über den Wirkungsgrad von Kommunikation begann, steckten andere BASE-Gestalter wie Antonio Catelani als nachgeborene Generation buchstäblich noch in den Kinderschuhen. Und dementsprechend zeigt man nicht nur einen Schnitt durch die Kunst der Gegenwart, sondern versucht sich auch in historischen Ableitungen. Das Programm umfasst die Modernismusforschungen von Heimo Zobernig ebenso wie die nomadisierenden Farb- und Klangworkshops des Australiers John Nixon, Klassiker einer minimalistischen Sicht der Kunst wie Sol LeWitt oder Niele Toroni oder auch Ingo Springenschmids sprachorientierte Projekte. Für Paolo Masi hat der documenta- erprobte Kritiker und Kurator Pier Luigi Tazzi eine aus der Biografie des Künstlers abgeleitete Topographie alternativer Ausstellungsräume in Florenz entwickelt, und BASE damit selbst in die jüngere Kunstgeschichte der Stadt eingeschrieben. Das Projekt des internationalen Shootingstars Liam Gillick wartet bereits auf seine Installation durch den viel beschäftigten Künstler, und auch mit Peter Kogler ist man im Gespräch. Die Zeiten eines sich selbst genügenden, elitären Konzeptualismus sind wenigstens für die Macher von BASE vorbei. Jan Vercruysse nannte seine Show lakonischerweise "Tre Opere". Selbst Robert Barry hat wieder Gefallen an klassischen Modellen gefunden. In der aktuellen Ausstellung öffnet die Sprache über die Slogans "Almost", "Real", "Against", "Desire", "Include" und "Possible" als Fragmente einer möglichen Geschichte den Raum der Kunst, um sich, über Fenster und Wände hinweg, gekonnt im längst totgesagten Tafelbild zu verschließen. Oder wie antwortete Paolo Parisi unzweideutig auf die Frage, ob das Kunstwerk als sinnlich wahrnehmbare Tatsache immer noch oder immer wieder existiere: "Si". (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10. 10. 2000)