Zürich - Die Entrümpelung der Wagner-Bühne? Das hatten wir doch schon einmal - vor einem halben Jahrhundert. Die Regiegenerationen nach Wieland Wagner haben zwar wieder allerhand an Kulissen und Requisiten aufgetragen, um die Hintergründe des Rings aufzudecken. Nun aber serviert wieder einer ab: Er hat ein Element nach dem anderen rausgeschmissen - erst dadurch entstehe der richtige Raum für diese Musik, so Robert Wilson. Schon vor einigen Jahren, bei seinem Zürcher Lohengrin betonte er, nicht die politische oder psychologische Interpretation interessiere ihn, sondern eine formale Sicht. Die drängt sich auch bei diesem neuen Rheingold auf, mit dem der Zyklus beginnt. Alles ist stilisiert, besonders in der Gestik. Mimik gibt es kaum; der Ansatz eines Lächelns wirkt wie großes Minenspiel. Die Haltungen der Arme, die Spreizung der Finger ergeben choreographische Bilder. Mit Schritten wird der Raum geradezu durchmessen. Die für Wilson typischen langsamen Bewegungen werden zuweilen von raschen kontrapunktiert. Es ist ein Theater der geometrischen Linien, die hier in verschiedenen Tempi gezogen werden. Nichts bleibt dem Zufall überlassen. Hinzu kommt die raffinierte Lichtführung, die Wilson zusammen mit Andreas Fuchs erarbeitet hat. Auf Gesten hin ändert sich schlagartig die Beleuchtung. Wilson folgt damit Baudelaire, der über Wagners Musikdramen schrieb: Er sei Zeuge eines Spektakels über Zeit, Licht und Raum geworden. Das sind die wahren Akteure im Gesamtkunstwerk der Imagination. Die Figuren erscheinen da gelegentlich nur als Silhouetten vor hellem Hintergrund. Nähe zu Wagner Die Kostüme von Frida Parmeggiani verdeutlichen, dass hier eine japanisch geprägte Ästhetik dahintersteckt. Walhalla als Samurai-Spiel, Nibelheim in der Nähe von Kurosawa. Warum auch nicht? Der Musik Wagners kommt das erstaunlich nahe - die Sängerinnen und Sänger bewegen sich schließlich völlig selbstverständlich in dieser Darstellung. Das Reduzieren geht freilich so weit, dass einige wenige Details nicht verständlich werden. Dass auch Wilson mit einigen Elementen Wagners nicht völlig zurande kommt, sei ihm verziehen. Die Riesenschlange, in die sich Alberich mittels Tarnkappe verwandelt, wirkt etwas unbeholfen, der Frosch danach ist nur noch ein Witz. Solch strenge Stilisierung will die Musik nicht mitmachen; schließlich soll ihr dadurch ja Raum geschaffen werden. Und Dirigent Franz Welser-Möst nutzt ihn. Mit dem Orchester macht er Wagner durchsichtig. Das ist flexibel und effektvoll in der Gestaltung, ohne den Leitmotiv-Katalog herunterzuspielen. Mag sein, dass man mitunter etwas mehr Spannkraft erwarten dürfte, aber die Musik aus dem Graben überdeckt nichts, gibt dem homogenen Ensemble Platz, sich zu entfalten. Vor allem der Alberich von Rolf Haunstein und der Mime von Volker Vogel überzeugen. Der Wotan von Jukka Rasilainen ist ein Versprechen, das es noch einzulösen gilt. Am herausragendsten war die schillernde Figur des Loge in der Interpretation von Francisco Araiza.
Weitere Aufführungen: 13., 19., 22., 28., 29. Oktober. Die
Walküre folgt im Mai 2001. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10. 10. 2000)