So wie jedes Jahrzehnt war auch heuer der 10. Oktober des Jahres 1920 in Kärnten Gegenstand heftigen Gedenkens. Angesichts der bei den Feierlichkeiten zum Ausdruck gekommenen ausgeprägten Vergangenheitssehnsucht im Land fragt es sich, ob die Erinnerung an Abwehrkampf und Volksabstimmung nicht verstärkt in den Alltag integriert werden soll. Dazu einige Vorschläge:

1. Mit den Mitteln der Abstimmungsspende ist ein Heimathistoryland, kurz Heimatland einzurichten. Dieses sollte in einer strukturschwachen Gemeinde des zweisprachigen Gebietes angesiedelt werden, um auch im Fremdenverkehr neue Impulse zu setzen.

Jede Menge Spiele, ...

Konkret ist dabei die Rekonstruktion diverser Südkärntner Dörfer aus den Jahren 1920, 1938-1945, 1958, 1972 und 1976 vorzusehen, in denen, umrahmt von Linden-und Buchenwäldern (die Eiche wurde hier nie wirklich heimisch) und unter der Leitung trainierter Animateure die wesentlichen historischen Traumata von den Besuchern nachgespielt werden. Wobei man gleichzeitig mit der Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen in der Komparserie positive wirtschaftliche Effekte erzielen könnte.

Im Dorf 1920 würden sich dann etwa zwei Spielgruppen, die "Abwehrkämpfer" und die "Südslawen" unter sachkundiger Anleitung diverse Scharmützel liefern; das Dorf 1938-1945 böte die Gelegenheit, Aussiedelungen durchzuführen oder über sich ergehen zu lassen, Nazi zu sein oder Widerstand zu leisten.

Nach 1945 ließe sich die Demokratisierung simulieren, man könnte aber auch ausgewählten privaten Abrechnungen - die tatsächlich in nicht geringer Zahl stattgefunden haben - Raum geben. Das "Spiel vom Ortstafelsturm" würde im Dorf 1972 aufgeführt und im 1976/1977er vielleicht das "Spiel vom Volkszählen" - andere Spielideen würden sich sicher aus der Praxis ergeben.

Selbstverständlich wäre es dabei auch möglich, die Rollen zu wechseln - etwa zuerst Abwehrkämpfer, dann Nazi, dann Ortstafelstürmer. Oder unorthodoxer: Zuerst Nazi, ab Anfang Mai 1945 Widerstandskämpfer, dann leitender Polizeioffizier. Oder aber auch gegen die Chronologie und wider jede Vernunft: Zuerst Ortstafelstürmer, dann Partisan, dann Abwehrkämpfer - die virtuelle Welt macht's möglich, Identitätswechsel im Pauschalpreis inbegriffen.

2. Die bestehenden, in ihrer Ästhetik modernen Ansprüchen nicht mehr gerecht werdenden Volksabstimmungsdenkmäler sind durch neue, interaktive Gedenkmaschinen - so genannte Heimatautomaten - zu ersetzen, deren Konstruktionsprinzip anlass-und ortsbezogen varriiert werden könnte: Der große Heimatschreiber etwa ist für repräsentative und historisch wichtige Plätze bestimmt und sollte etwa vor der Kärntner Landesregierung oder am Rathausplatz der Abstimmungsstadt Völkermarkt installiert werden.

... Schleifen ...

Der Automat besteht zum einen aus zwei Walzen, über die eine Endlosschleife aus Papier, Leinen oder Pergament geführt wird; Geschwindigkeit und Drehrichtung werden von einem Zufallsgenerator gesteuert.

Zum anderen sind die Walzen von je einem Industrieroboter flankiert, der "Mei Hoamat is a Schatzale" und die erste Zeile der vierten Strophe der Landeshymne - "Wo man mit Blut die Grenze schrieb" - so lange auf die Schleife kritzelt, bis ein flächendeckendes Zufallsmuster entstanden ist. Die so an die surrealistische Ecriture automatique gemahnende "Heimatschleife" wird dann als Auszeichnung an um die Heimat verdiente Mitbürger vergeben.

Für kleinere Abstimmungsgemeinden ist der in Form eines einfachen Gedenksteins gestaltete kleine Heimaterzähler gedacht, der am besten vor dem Gemeindeamt oder anderen öffentlichen Plätzen aufgestellt werden sollte. Nähert sich eine Person dem Heimaterzähler, so startet dieser automatisch mit der Rezitation sämtlicher Namen der im Abwehrkampf gefallenen Gemeindebürger und beschließt diese Rezitation mit der Aufforderung: Verrat die Hoamat nit! Was dem Besucher unmissverständlich die Historizität des Ortes bewusst macht und ihn dazu anregt, sich entsprechend würdevoll zu verhalten.

... und Kabinen

Für den städtischen Bereich bieten sich schließlich Heimatkabinen an. Diese in den Landesfarben gehaltenen Häuschen mit einer Grundfläche von circa einem Quadratmeter können in Fußgängerzonen, Bahnhöfen oder an anderen öffentlichen Orten aufgestellt werden und bieten dem Besucher auch in der Hektik des urbanen Raums die Möglichkeit heim(at)lichen Rückzugs:

In Inneren der Kabine befindet sich hinter einer verdeckten Glasscheibe eine Reproduktion der Lobisser-Fresken aus dem Landhaus in Klagenfurt, die sich dem Besucher nach Einwurf einer 10-Schilling-Münze für eine Minute enthüllt und so dessen Heimatsinn - tendenziell - befriedigt.

Zudem sollte man keinesfalls versäumen, mit einer Reihe von kleineren Werbegeschenken auch Kurzbesuchern das erwünschte Heimatgefühl zu vermitteln. So könnte etwa ein aus der Kärntner Fahne produzierter Heimatrucksack selbst im Hochgebirge die Bodenständigkeit des Trägers zum Ausdruck bringen, ein Heimatfeitel beim Zerteilen der Jausenwurst an den Ort erinnern, wo "Mannesmut und Frauentreu die Heimat sich erstritt aufs neu" u.v.a.. Der Fantasie sind hier keine Schranken gesetzt, so lange nur das wesentliche Ziel erreicht wird: zu zeigen, wo dieses Land an seine engen Grenzen stößt.

Bernhard Perchinig, geboren und aufgewachsen in Klagenfurt/Celovec, Sozialwissenschafter mit den Schwerpunkten Minderheiten- und Migrationsforschung, lebt in Wien.