"Simplicity, surprise and a smile", das sind für Keith Reinhard, Präsident der diesjährigen Jury beim Werbefestival in Cannes, die Voraussetzungen für gute, kreative Werbung - und somit für einen Grand-Prix-Gewinner. Keith Reinhard, Chef der DDB Worldwide Communications Group, definiert Kreativität mit den Worten "nützliche Information": "Kreativität bedeutet nicht einfach, 'anders' zu sein, sie muß einen Sinn haben". Diese Antwort hat sich Reinhard schon 1984 zurechtgelegt, als er der erste amerikanische Jury-Präsident in Cannes war: "Damals haben mich die Juroren gefragt, wonach wir Ausschau halten: Es läßt sich alles darauf reduzieren, daß gute Werbung Relevanz, Originalität und Impact miteinander verbindet. Die Anfangsbuchstaben dieser drei Wörter ergeben die Abkürzung 'ROI' - Return on Investment - das macht es zu einem ganz guten Mantra", so der Werbeexperte. Nach seinem Geschmack hat sich der Kreativitätsbegriff seit seiner ersten Präsidentschaft 1984 "nicht genug" verändert. "Es gibt immer noch viel mehr Imitation als Innovation. Die auffallendsten Veränderungen haben sich aus den technischen Entwicklungen ergeben: Heute kann man produzieren, was immer man sich vorstellt". Doch Reinhard, der als CEO von DDB - laut Branchenblatt "Advertising Age" - der USA-weit größten und weltweit drittgrößten Werbeagentur vorsteht, ist selbst kein Fan von High-Tech-Produktionen. "Eigentlich bin ich ein Anhänger einfacher Geschichten. Doch heute lassen sich einfache Geschichten ausdenken, die man im Jahre 1984 nicht hätte produzieren können." Technologie sei aber nur "ein Weg, eine kreative Idee umzusetzen". Rund 5.000 eingereichte Spots, 6.500 bis 7.000 Plakat- und Printsujets und mehr als 6.000 Delegierte - Kritiker sprechen davon, daß Festivals wie Cannes schon an ihren Grenzen angelangt sind. Doch nicht nach Meinung des DDB-Chefs. "Wenn eine Werbung unter so vielen Werbungen hervorsticht, dann kann man umso eher sagen, daß sie gut sein muß." In Cannes ortet Reinhard "sehr starke nationale Gefühle". Insbesondere heize die "Kategorisierung nach Ländern" die nationale Konkurrenz noch mehr an, kritisiert der DDB-Chef, dessen Netzwerk weltweit in 96 Ländern vertreten ist. "Es ist irgendwie frustrierend, denn Cannes ist ja wirklich keine Olympiade: Hier geht es um einen Wettbewerb zwischen den Agenturen und zwischen den Kunden - und oft handelt es sich um globale Agenturen und globale Kunden". Obwohl für Reinhard grundsätzlich die Arbeiten "von Produkt zu Produkt, von Kunde zu Kunde und von Land zu Land ganz verschieden" sind, glaubt er, einen Trend zu globalen Kampagnen auszumachen. "Die jetzige Generation denkt bereits international. Die Kampagnen für diese Generation sind daher bereits internationale Kampagnen. Schauen Sie sich nur die neue Werbung für Musik, Mode - zum Beispiel unsere Diesel-Kampagne - oder für Sport - zum Beispiel Nike - an. Das Internet wird diese Entwicklung noch mehr beschleunigen. Es ist sehr einfach: Die Welt der Werbung ändert sich mit der neuen Generation". Vor Cannes verschreibt sich Reinhard dem Zweckpessimismus: "Ich wäre gerne ein Jury-Präsident, der die Goldmedaille für etwas vergibt, das die Welt vorher noch nie gesehen hat. Doch ich glaube nicht, daß das passieren wird". Fest steht jedenfalls, daß in diesem Jahr ein Grand Prix vergeben wird: "Das ist ganz sicher. Ich finde, was Frank Lowe damals gemacht hat, war eine Katastrophe." 1995 wurde unter Frank Lowe zum ersten und einzigen Mal kein Grand Prix vergeben. (APA) etat.at berichtet ab Montag laufend über das Festival in Cannes. Österreichs Mitglied der Filmjury, Alois Schober (Young & Rubicam), hat eine tägliche Kolumne für den "Standard" und - jeweils ab dem späten Nachmittag - in etat.at zugesagt.