Colombo/London - Als eine Art Referendum über zwei unterschiedliche Friedenspläne war die Parlamentswahl in Sri Lanka vom Dienstag gedacht gewesen. Doch nach Auszählung von mehr als 90 Prozent der Stimmen zeichnete sich am Mittwoch keine Mehrheit für eine der beiden großen Parteien ab. Die bisher regierende Volksallianz (PA) von Staatspräsidentin Chandrika Kumaratunga lag mit 48 Prozent zwar vor der Vereinigten Nationalpartei (UNP), die auf 39 Prozent kam. Die PA wird also eine Minderheitsregierung bilden oder Partner unter den kleineren Parteien suchen müssen. Gering erscheint die Chance auf eine große Koalition oder Regierung der Nationalen Einheit, wie sie in Erwartung eines unklaren Mandats mehrere Medien schon vor der Wahl gefordert hatten. "Die politischen Parteien müssen beweisen, dass wir als Nation und Volk in der Lage sind, unsere Vergangenheit hinter uns zu lassen", hatte der Sunday Observer gemahnt. PA und UNP sollten gemeinsam nach einer Lösung für den seit 17 Jahren währenden Bürgerkrieg mit den Befreiungstigern von Tamil Eelam (LTTE) suchen, die im Nordosten der Insel für einen eigenen Staat für die Minderheit der Tamilen kämpfen. Doch Kumaratunga und UNP-Chef Ranil Wickremasinghe befürworten unterschiedliche Lösungen. Die Präsidentin will, parallel zu weiteren Militäraktionen gegen die LTTE, mit einer Verfassungsreform allen Regionen, auch den mehrheitlich tamilischen, weitreichende Autonomie einräumen und so die Unterstützung für die LTTE untergraben. Wickremasinghe tritt für einen Waffenstillstand und danach Verhandlungen mit den Tigern ein. Keine Seite hat bisher Kompromissfähigkeit gezeigt. Nach einem von Unregelmäßigkeiten und Gewalt überschattetem Urnengang mit einer Wahlbeteiligung von rund 75 Prozent bleibt der Weg zum Frieden damit vorerst so unsicher wie zuvor. (STANDARD-Mitarbeiterin Brigitte Voykowitsch, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12. 10. 2000)