Wien - Abschreckung hat ausgedient, Stärkung des Selbstbewusstseins ist das künftige Ziel. Innenminister Ernst Strasser (VP) eröffnete Donnerstagmorgen die erste Konferenz zur Vernetzung der in Österreich mit Suchtprävention befassten Behörden und Dienststellen im Ministerium in Wien. Rund 100 Experten waren gekommen. Ministerialbeamte, Sozialarbeiter, Drogenkoordinatoren, Sicherheitsbeamte, Mediziner, Psychologen und andere. Die Tagung war von der FP-Androhung einer Verschärfung des Suchtmittelgesetzes überschattet. Als der 18-Jährige zu ihm kam, sei er arbeitsunfähig und opiatabhängig gewesen, schilderte Psychoanalytiker Harald Picker ein Fallbeispiel aus seiner Praxis. Die Eltern seines Patienten hätten sich zu wenig um ihn, mehr um seinen behinderten Bruder gekümmert, worauf er aggressiv geworden sei. Als sich dann die Eltern getrennt haben, hätte er seiner Aggression die Schuld dafür gegeben, seinen Aggressionstrieb danach derart unterdrückt, dass er arbeitsunfähig geworden sei. Und die Drogensucht sei für ihn eine Behinderung wie jene seines Bruders gewesen: Er suchte Liebe und Fürsorge. Wäre die von Justizminister Dieter Böhmdorfer und Gesundheitsstaatssekretär Reinhart Waneck angestrengte Verschärfung - Strafmündigkeit mit 18 statt 19 Jahren, geringere Drogengrenzmenge und härtere Strafen - bereits Gesetz, würde der 18-Jährige nicht bei Picker in Therapie, sondern hinter Gittern sein. Ein Rückschritt Für Peter Hacker, Sprecher der Drogenkoordinatoren der Bundesländer, ist die eingeschlagene FP-Drogenpolitik ein "Rückschritt ins Mittelalter" und entgegen dem internationalen Trend in Richtung Entkriminalisierung und mehr Hilfe. Österreich werde zur "Lachnummer Europas". Auch Vorarlberg Gesundheitslandesrat Hans-Peter Bischof, ein Parteikollege Strassers, lehnt den FP-Vorstoß ab. Mit der vorgeschlagenen Änderungen wären viele heutige Vergehen plötzlich Verbrechen, viele Schwerstsüchtige würden nicht mehr therapiert, sondern weggesperrt. Für den Innenminister ist der einzuschlagende Weg klar: "frühe Vorbeugung, Hilfe und Verständnis für Kranke, aber auch volle Härte und alle Konsequenz bei Geschäftemachern und Drogenbossen". Strasser warnte aber davor, "diese Klientel zu vermantschen". Allein - der Begriff "Dealer", unter dem die geplante Verschärfung diskutiert wird, ist in keiner Gesetzesvorlage erläutert. Hinzu kommt, dass die meisten Drogensüchtigen zur Finanzierung ihrer Abhängigkeit selbst Suchtmittel verkaufen. Einig waren sich die Konferenz-Teilnehmer über die Zukunft der Prävention: Der aus den 70er-Jahren stammende "Drogenkoffer" samt Vorführung hat endgültig ausgedient. Die Schaffung von Unrechtsbewusstsein durch Abschreckung sei zwar bei vielen Jugendlichen zielführend - wie aber Studien gezeigt haben, nur bei jenen, die eh nie Drogen nehmen würden. Die Suchtprävention müsse alle erreichen und bei zehn Prozent wirken. Stärkung der sozialen Kompetenz und der Konfliktfähigkeit seien dazu wichtig. (fei/ DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.10.2000)