Genau zehn Jahre ist es her, dass mitten in einer Welle von Vierbuchstaben-Bands, die "Lush" oder "Ride" oder sonstwie hießen, eine weitere Vierbuchstaben-Band, die zufällig "Blur" hieß, auftauchte. Und weil diese Vierbuchstabennamen irgendwie ganz schwierig zu merken waren und das Debüt von Blur noch ganz der damals angesagten Rave-Welle verhaftet schien, nahm zunächst niemand mehr als freundliche Notiz von den Neulingen. Eine weitere Band unter vielen eben.
Foto: Food Records
Niemand hätte damals vorausgesagt, dass sie viel, viel länger als ihre (vermeintlichen?) Vorbilder Happy Mondays und Soup Dragons bestehen bleiben würden, und niemand hätte vermutet, dass sie mit jeder weiteren Platte näher an das Ziel des klassischen Pop-Songs gelangen würden. Niemand hätte vorherzusagen gewagt, dass sie mit "Girls and Boys" einen europaweiten Ballermann-Mitgröl-Hit schreiben würden - und den in ein Album einfügten, das zu recht als Sternstunde des Pop gilt ("Parklife", 1994). Niemand hätte auch nur geahnt, welche Welle an Rückbesinnung auf die Pop-Kultur der 60er sie damit in Ländern wie Großbritannien oder Schweden lostreten würden, oder dass Blur zu Ikonen der Britannica mutieren und "Brit-Pop" zu einem eigenen Genre machen würden. Niemand hätte sich ausgemalt, dass sie Mitte der 90er im Wettstreit mit einer minderbegabten, aber umso lautstärkeren Fünfbuchstaben-Band einen "Beatles gegen Stones"-artigen Glaubenskrieg unter den Fans entfachen würden. Die wenigsten hätten den vermeintlichen Weicheiern zugetraut, mitten im Image-Kampf eine Zweiminuten-Gitarrensalve namens "Song 2" loszulassen, die die Konkurrenz derart verblies, dass das Zwei-Minuten-Lied zur beliebtesten Signation internationaler Sportevents aufstieg. Und die wenigsten hätten zu hoffen gewagt, dass Blur dank ihrer Substanz auch dann noch souverän dastehen würden, als aus ihrer fünfbuchstäblichen "Konkurrenz" endlich für alle sichtbar die heiße Luft heraußen war. Aber all das passierte. Und aus diesem Anlass wird am 30. Oktober ein "Greatest Hits"-Album von Blur erscheinen, inklusive "To the End", "The Universal", "Charmless Man", "Country House" und natürlich den zuvor genannten Megasellern. Kaufanreiz für die, die eh schon alles von Blur zuhause stehen haben: eine dampfneue Single namens "Music is my Radar" : und die geht nach den rockistischen Ausflügen der letzten Jahre wieder sehr in Richtung Pop; späte 60er, frühe 70er über den Daumen gepeilt. Und ist versehen mit einem molto stylish Video, das mit Sicherheit auf MTV in der Endlos-Schleife laufen wird. Eine limitierte Version des Albums wird außerdem eine Bonus-CD mit einem Live-Auftritt in der Londoner Wembley Arena 1999 enthalten. Zehn Jahre und noch kein Bauchansatz. Respekt. (Josefson)