Wien - Tom Adler, der Enkel und Erbe des österreichischen Musikhistorikers Guido Adler, aus dessen Nachlass die während der NS-Zeit verschollene und nun dem Auktionshaus Sotheby's zur Versteigerung angebotene Partitur von Gustav Mahlers Lied "Ich bin der Welt abhanden gekommen" stammt, fordert das wertvolle Manuskript zurück. Wie das Nachrichtenmagazhin "profil" in seiner jüngsten Ausgabe meldet, wurde es vom Sohn jenes Anwalts zur Versteigerung (die von Sotheby's abgelehnt wurde) eingebracht, der die Verlassenschaft des 1941 in Wien verstorbenen Wissenschafters abgewickelt hat. Von SA konfiziert Die Orchesterfassung von Mahlers "Ich bin der Welt abhanden gekommen" war ein Geschenk Gustav Mahlers zu Guido Adlers 50. Geburtstag im Jahr 1905 und trägt die persönliche Widmung des Komponisten. Teile der Bibliothek des Musikhistorikers waren während des Novemberpogroms 1938 von SA-Männern konfisziert worden. Große Teile davon waren der Familie nach dem Krieg zurückgegeben worden - sie hatten sich in der Nationalbibliothek befunden. Viele wertvolle Objekte aber sind bis heute verschollen, neben dem nun aufgetauchten Manuskript eine Totenmaske Beethovens, Briefe an Beethoven und ein weiteres, ungenanntes Mahlerlied. Gegenüber "profil" erklärt Tom Adler, der als Kind 1938 in die USA flüchtete, dass sein Vater zwei Jahrzehnte nach dem Eigentum seines Vaters gesucht habe. Der Einbringer des Manuskripts, der Wiener Anwalt Richard Heiserer, vertritt gegenüber "profil" den Rechtsstandpunkt, dass Tom Adler nachweisen müsse, "ob mein Vater das Werk widerrechtlich in seinen Besitz gebracht hat. Wenn ihm das gelingt, muss ich es hergeben". Nationales Kulturgut? Tom Adler gibt an, vom Bundesdenkmalamt, das die Partitur als nationales Kulturgut eingestuft und für die Ausfuhr gesperrt hat, nicht kontaktiert worden zu sein. "Es beunruhigt mich, dass es Opfern des Holocaust so schwer gemacht wird, ihr privates Eigentum zurückzubekommen. Das Mahler-Manuskript war für meinen Großvater ein privates, intimes Geschenk einer langen Freundschaft. Wenn sich das offizielle Österreich jetzt einschaltet und es zu seinem nationalen Kulturgut erklärt, verstärkt das das Image, das das Land seit der Nazizeit hat" . Es mache sich nach Ansicht Adlers "zum Komplizen des unrechtmäßigen Eigentümers. Dabei sollte Österreich doch helfen, den rechtmäßigen Besitzer festzustellen". Andrea Jungmann, Wiener Repräsentantin von Sotheby's Wien berichtete, dass ihren Erfahrungen zufolge die laufende Debatte um Rückgabe von bzw. Entschädigung für enteigneten jüdischen Besitz von Inhabern von Kunstgegenständen kaum wahrgenommen werde. (APA)