Graz - Wer hat sich nicht irgendwann gewünscht, wieder in die Geborgenheit des Mutterleibs zurückkehren zu können? Im Grazer Museum der Wahrnehmung erfüllt das Duo Rantasa/Zeitblom derzeit solche Sehnsüchte: Schwerelos schwimmen, in der Dunkelheit treiben und dazu noch beschallt werden von sphärischen Klängen zum Rhythmus der eigenen Herztöne - das den Spuren von Oswald Wieners Essay Der Bioadapter folgende Deprivations-Bad macht es hier möglich. Allein gelassen mit sich selbst, treibt man in einem abgedunkelten und geschlossenen Becken mit Salzwasser, das den Körper trägt, an dem sich ein Kontaktmikro befindet, das die Herztöne in ein Mischpult leitet. Dort verändern die Künstler das Pochen mit einem Modular-Synthesizer - eine erlösend-gelöste Stunde, ein sinnliches Erlebnis, entgrenzt von den Fährnissen von Raum und Zeit. Film und Klang Mit dieser bioadapter phase V lösten Rantasa und Zeitblom zugleich am konsequentesten ein, was das Musikprotokoll des steirischen herbsts in diesem Jahr beherrscht: Das Bilderverbot, das in der alten Vorstellung wurzelt, sich kein Bild von dem Göttlichen machen zu dürfen. Das mag angesichts des zweiten leitenden Mottos, sounds + visuals , paradox wirken. Doch visiert man das Bilderverbot nicht im theologischen Sinne an: Als Gebot, heilsversprechende Eindeutigkeiten zu vermeiden, ist es die Essenz jeder die Wirklichkeit in Rätselhaftigkeit hüllenden Kunst. Insofern macht die Zusammenarbeit des Musikprotokolls mit dem Filmfestival Diagonale Sinn: Im Augartenkino galt es, das Sensorium zu schärfen für die enge Verkettung zwischen kaum kenntlichen Bildern und einem Soundtrack, wie ihn etwa die noch mit guten alten Super-8-Projektoren operierende Gruppe Metamkine in ihrer Performance verwendet. Die Beurteilung des Musikprotokolls benötigt ganz neue ästhetische Kriterien: Nicht das fertige, in sich geschlossene Werk gilt es zu bewerten, sondern die auf Improvisation basierende Interaktion zwischen Bild- und Klangebene. Allein für sich genommen würde etwa ein Soundtrack wie Christof Kurzmanns boiled frogs kaum bestehen können. Im Kontext der auf Plexiglasscheiben projizierten Videoinstallation (Michaela Grill) erschloss die Klangschleife jedoch einen faszinierenden Klangraum. Auch wenn einige Projekte einen Hang zum Ornamentalen hatten, ist dem Eintauchen in die neuen Bild- und Klangwelten ein gewisser Reiz kaum abzusprechen. Sieht man von Gerhard Winklers Hybrid V ab, bei dem die Stimme von Christina Ascher durch Computer-Morphing vervielfacht und verwandelt wurde, nahmen sich die traditionellen Kompositionen fast schon anachronistisch aus. Dabei kennzeichnet vor allem die drei vom Klangforum Wien unter Johannes Kalitzke uraufgeführten Stücke höchste klangliche Konzentration: Trügerisch das Idyll von Wolfgang Suppan. Pfiffig die bakteriellen Attacken der Chimera von Misato Mochizuki und ambivalent das Augenmaß von Wolfram Schurig. Aber wer weiß, vielleicht sind solch strenge kompositorische Bemühungen in der neuen digitalen Welt bald analoger Schnee von gestern. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16. 10. 2000)