Wien - Es ist schon passiert. Eine Maus wird von einem unsichtbaren Gorilla verspeist. Erst das Blut des Nagers entblößt die Kiefer des Täters. Ein drastischer Beginn, der Appetit auf mehr macht. Doch der spektakuläre Einstieg in Paul Verhoevens Hollow Man legt eine falsche Fährte. Die Mausefalle bleibt vorerst unberührt. Stattdessen erfahren wir vom ambitionierten Wissenschafterteam rund um Sebastian Caine (Kevin Bacon), das in einem unterirdischen Labor am Verschwinden des Menschen arbeitet. Weil die Rückkehr zur Sichtbarkeit nicht gelingen mag, droht dem Projekt jetzt das Ende. Äußerst schematisch werden in Andrew Marlowes Skript ( End of Days ) gleich klare Frontlinien gezogen. Caine ist das Genie ohne Ethos, das erst den Selbstversuch unternimmt, als allen schon klar ist, dass, einmal körperlos, seine dunkle Seite umso heller leuchten wird. Der Holländer Paul Verhoeven hat sich in Hollywood mit seinem Hang, Sex und Gewalt möglichst explizit auszustellen, den Ruf eines kontroversiellen Filmemachers zugetragen. In seinen besten Arbeiten, in Robocop oder Starship Troopers , verhandelte er die Mechanismen der Mediengesellschaft mit kühler Zurückhaltung, bis unklar wurde, ob er die Verhältnisse affirmierte, oder ob es sich doch um eine ätzende Satire handelte. Von diesem Geist ist in seiner Variante von H. G. Wells Sci-Fi-Klassiker The Invisble Man nicht mehr viel übrig. In Interviews wurde Verhoeven zwar nicht müde auf Platon zu verweisen, für den die Unsichtbarkeit das Ende der Moral bedeutete, aber Hollow Man gewinnt diesem Umstand vorerst bloß pubertäre Späße ab. Als berechenbares Action-Kammerspiel, das alle Regeln der alten Katz-und-Maus-Dramaturgie, inklusive pyromanischem Showdown im Aufzugsschacht, durchspielt, überrascht er auch im letzten Akt kaum durch Originalität. Wieder einmal sind nur die Spezialeffekte erstaunlich. Der Rest ist sauberes Handwerk ohne scharfe Kanten. Wirklich unsichtbar ist hier nur der Regisseur. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16. 10. 2000)