Foto: Viennale
So sehr in diesem Film alles auf relativ engem Raum gedrängt ist - die Wohnung des alternden Geschäftsmanns Leopold (Bernard Giraudeau) -, und so sehr alles, das dort geschieht, eigentlich den Mechaniken eines Kammerspiels bzw. episodisch jeweils einer Einheit von Zeit und Raum unterworfen ist: Auf faszinierende Weise schafft es der junge französische Regisseur François Ozon, jede Kompaktheit zerstieben zu lassen.
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Das liegt nicht einmal so sehr an der verwegen simplen Dialogführung, deren sich Rainer Werner Fassbinder in der Vorlage, dem Jugendwerk Tropfen auf heiße Steine , befleißigte. Und der größte Clou von Ozons Adaption ist auch nicht, dass er inständig seine französischen Darsteller als Leopold, Franz, Anna und Vera im Deutschland Mitte der 60er agieren lässt. Aber während die Außenwelt in diesem Film zitierte Dokumentarfotografie ist, befleißigt sich der Regisseur in den (bis ins letzte Detail der Ära entsprechenden) Innenräumen einer geradezu brutal erlesenen und fast schon manierierten Kadrage, die die Inszenierung von Anfang an als solche ausstellt - wobei die oft recht theatralisch gesprochenen Texte und die mitunter extremen Bekleidungsvorlieben der Protagonisten (Lederhose mit Küchenschürze) den irrealen, brüchigen Zugang noch verstärken.
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Man erkennt zwar eine Ära mit all ihren Geschmacklosigkeiten, aber Ozon kreiert daraus eine konsequent zeitlose Komposition: Etwa wenn zum Gassenhauer "A-ah, a-ah, du bist so heiß wie ein Vulkan" vier Menschen eine ganz seltsam strikte Choreographie des gemeinsamen und doch in sich vereinzelten Tanzes - mehr für die Kamera als füreinander - entwickeln.
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Ach ja, und dann noch so etwas wie eine Geschichte und in jedem Fall ganz sicher vier Tragödien: Leopold verführt Franz und nutzt ihn aus. Leopold hat Anna ausgenutzt, und sie kann nicht von ihm lassen. Franz verführt Vera, und sie scheint sich viel zu eifrig mit der Dreiecksbeziehung anzufreunden. Und irgendwo ist wohl auch Liebe im Spiel und die ist "für Fassbinder ein anderes Wort für Sterbenmüssen" (Kerstin Decker). Also muss am Ende einer sterben, und die anderen sind vielleicht auch schon tot. Oder vielleicht schon weit weg - angesichts des Raums, der etwas fürchterlich Unbehaustes, Unheimeliges in sich birgt. Trotzdem: Ein mitunter zum Schreien komischer Film, zu dem man im gegenwärtigen Kino eigentlich nichts Vergleichbares findet. Fassbinder hätte ihn wohl sehr gemocht. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, Beilage 17./18. 10. 2000)