Mit der Eröffnung eines Privatmuseums nahe San Sebastián ging für den baskischen Bildhauer Eduardo Chillida ein Lebenstraum in Erfüllung. Josef Manola besuchte das "öffentliche" Refugium eines Weltbaumeisters: den Skulpturenpark des "Zabalaga". König Juan Carlos und der deutsche Bundeskanzler Schröder gaben Chillida bereits persönlich die Ehre. San Sebastián - Vor dem Besucher des Chillida-Museums öffnet sich die Welt eines stillen Künstlers, der längst zu den "Klassikern" des 20. Jahrhunderts gezählt wird. Fünf Kilometer außerhalb von San Sebastián hat er sich ein eigenes Museum errichtet. Im weitläufigen Skulpturenpark hört man nichts mehr vom Lärm des Schwerverkehrs, der sich in Richtung Hernani bewegt, der Hochburg der baskischen Separatisten. Der zwölf Hektar große Museumsgarten bietet die notwendige Weite für eine Auswahl monumentaler Stahlskulpturen mit mehreren Tonnen Gewicht, die zum Markenzeichen des Bildhauers geworden sind. "Das Publikum", so der mit der Leitung des Museums beauftragte Sohn Luis, "soll die Entwicklung des Schaffens von Chillida in allen wichtigen Phasen verfolgen können." Im Freien angeordnet, sind die Skulpturen bewusst dem Wechselspiel von Licht und Schatten, Witterung und Korrosion ausgesetzt. "Es ist zwar mit Mühen verbunden, die Figuren zu bewegen", erklärt Luis Chillida, "aber wir werden sie regelmäßig auswechseln, damit ein lebendiges, sich ständig veränderndes Museum entsteht." Für die fragilen Holzarbeiten und Papierentwürfe steht ein Gebäude in der Mitte des "Zabalaga" genannten Anwesens zur Verfügung. Hier sollen nach dem Wunsch des Bach-Fans Chillida auch Konzerte veranstaltet werden. Der 1924 in San Sebastián geborene Künstler wurde vom Vater zum räumlichen Denken gedrillt. "Als Kinder", erzählte der Künstler in einem seiner letzten Interviews bei der Eröffnung einer Ausstellung im Guggenheim-Museum dem STANDARD, "hatten wir einen Zeitvertreib: Vater baute im Spielzimmer eine Reihe von Gegenständen auf, schickte uns hinaus und veränderte deren Position. Wir mussten nachher herausfinden, was er verschoben hatte." Chillida nennt ein weiteres Schlüsselerlebnis in seinem Leben: In Rom habe er als Student beim Anblick einer in zwei Hälften geschnittenen Bronzestatue festgestellt, dass ihn "der Inhalt der Figur mehr interessiert als ihre Form". Seither ist der Innen-Raum von Körpern zu seinem Lebensthema geworden, das er immer wieder und mit immer wieder neuen Mitteln variiert. Auch in Zabalaga. 1982 erwarb er das Gut und renovierte das baufällige Hauptgebäude nicht allein seiner imposanten Fassade wegen, sondern um einen Raum freizulegen, den er "dahinter gespürt" habe. In Zusammenarbeit mit dem Architekten Joaquin Montero wurde das aus dem 16. Jahrhundert datierende Bauwerk weiter ausgehöhlt - bis nur mehr die Außenwände übrig waren. Für den Bildhauer, der seine Skulpturen als "Behältnisse des in ihnen gefassten Raums" empfindet, wurde es zur Herausforderung, das Gebäude neu zu gestalten: "Mich interessierte vor allem der Raum. Das Haus ist fast völlig leer und erfüllt jetzt eine neue Funktion." Aus Holz und Stein Fenster und Innenwände wurden nach Chillidas Vorstellungen versetzt: Ein Bau entstand, der selbst als gestaltetes Kunstwerk betrachtet werden kann. Stein und Holz, die von Chillida am liebsten verwendeten Materialien, bestimmen den Innenraum. Das Freilichtmuseum Zabalaga wurde ohne öffentliche Gelder, ausschließlich vom Künstler und seiner Familie finanziert und bildet das Kernstück einer Stiftung, die dem Werk Chillidas und der Ausbildung junger Künstler gewidmet ist. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Investitionen floss in den Rückkauf früherer Arbeiten. "In jungen Jahren", erzählt Sohn Luis, "hat mein Vater alle Arbeiten verkauft, um seine Familie mit acht Kindern zu ernähren. Aus dieser Zeit war jedoch so gut wie nichts vorhanden. Erst ab den 80er-Jahren, als die Idee einer Sammlung geboren worden war, hat er auch eigene Arbeiten behalten." Chillida verlässt wegen seiner angegriffenen Gesundheit nur mehr selten das Anwesen in San Sebastián. An der Hand von Ehefrau Pilar, im Kreis seiner Großfamilie, stellte er sich zur Eröffnung des Zabalaga-Museums im September dennoch einer Schar illustrer Gäste. Spaniens König, Premierminister José María Aznar und Bundeskanzler Gerhard Schröder hatten sich trotz Bombendrohung und Kundgebungen von Eta-Sympathisanten eingestellt, um den "Architekten der Leere" in dem von ihm mit monumentalen Skulpturen gefüllten Museumspark zu würdigen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.10.2000, Josef Manola)