Bühne
Ballettänzer verloren vor Gericht gegen die "Presse"
"Wackelnde Schwäne" gelten nicht als üble Nachrede
Wien - Während eine Reihe von Tages- und Wochenzeitschriften sich in eine ganze Reihe von Gerichtsverfahren verwickelt sehen, bei denen in der Mehrzahl der Fälle Politiker der FPÖ die Klagenden sind, hat die Tageszeitung "Die Presse", die derlei Verfahren nicht zu fürchten hat, ihren eigenen kleinen gerichtlichen Kampf um die Meinungsfreiheit ausgefochten - und dabei gegen die Tänzer des Staatsoperballetts gesiegt.
Wie die "Presse" in
ihrer Ausgabe vom Mittwoch berichtet, hat das
Oberlandesgericht Wien in zweiter Instanz die Schadenersatzforderung
abgewiesen, die einige Staatsoperntänzer im Jänner nach einer
negativen Kritik in der "Presse" wegen "übler Nachrede bzw.
Beleidigung" eingebracht hatten.
Im Oktober 1999 war unter dem Titel "Das Ballett tanzt in der
Sackgasse" in der "Presse" ein Kommentar von Irene Stelzmüller über
das Staatsopernballett erschienen. Darin hatte es
u.a. geheißen, die Wiener Solisten könnten im Vergleich zu großen
internationalen Kompanien "dort höchstens in der letzten Reihe des
Corps de ballet mittanzen", und: "Nachdem auch niemand auf
Musikalität achtet, verwundert es nicht mehr, wenn 32 Bajaderen oder
Schwäne inhomogen über die Bühne wackeln." Brigitte Stadler, Eva
Petters, Gregor Hatala, Jürgen Wagner und Christian Tichy hatten
darauf hin auf "Entschädigung für die erlittene Kränkung" geklagt.
Das Berufungsurteil des Oberlandesgerichts befand nun, aus der
Kritik könne keine Diffamierungsabsicht herausgelesen werden, da "der
Artikel relativ umfangreich ist, sich mit den verschiedensten
Facetten des Staatsopernballetts beschäftigt, auch Positives aufzeigt
und zu den Kritikpunkten Gründe angibt (so etwa der Verweis auf
vergleichbare internationale Ballettkompagnien oder der Exkurs zum
Pensionssystem bei Tänzern)," zitiert die "Presse". Grenzen der
zulässigen Kritik seien erst dort zu ziehen, "wo es sich um
sogenannte diffamierende Schmähkritik handelt, wenn das Ziel des
Kritikers nicht die sachliche Auseinandersetzung mit einer
künstlerischen Leistung, sondern die vorsätzliche Kränkung des
angegriffenen Künstlers ist".
Die von den Antragstellern erfolgte Darlegung des
Bedeutungsinhalts der "Presse"-Analyse sei "teils überzogen, teils
unzutreffend" gewesen, heißt es ferner im Berufungsurteil. Schon der
Erstrichter hatte darauf verwiesen, dass Polemik, Ironie und Satire
legitime Ausdrucksformen der Kritik seien, die von pointierter
Verkürzung lebe. Das Urteil sei "ein wichtiges
Präjudiz für die Freiheit der Kunstkritik", feierte sich die "Presse".
(APA)