Salzburg - Immerhin 25 Jahre sind seit der letzten Retrospektive der Arbeiten von Minor White in einem europäischen Museum vergangen. Die neue Ausstellung im Rupertinum zeigt neben zahlreichen anderen Arbeiten erstmals auch die vollständigen Versionen der drei Bildsequenzen des wichtigen amerikanischen Fotografen. Die Arbeiten von Minor White (1908-1976) markieren nämlich historisch betrachtet die Schnittstelle zwischen dem klassischen Einzelbild und einem fotografischen Konzept, welches das Moment des Seriellen integriert. "Life is Like a Cinema of Stills" trifft daher als Titel für den Katalog der Schau sehr genau die Intentionen des Künstlers. Für Minor White bedeuten die fotografischen Sequenzen von Landschafts-und Menschenbildern, "dass die Freude, im Licht der Sonne zu fotografieren, durch die Freude, die Ergebnisse im Licht des Geistes zusammenzustellen, ausgeglichen wird". Für Minor White sind die Naturaufnahmen, die Porträts und Aktbilder Metaphern, um seine Gefühle und emotionalen Spannungen in eine mediale Form zu bringen. Zwar nähert er sich in vielen Arbeiten der "straight photography" eines Anselm Adams und Edward Weston, doch ist es gerade die Zusammenstellung der Bilder, die gesammelte persönliche Aussage mithilfe der Sequenzen, die ihn vom allgemein gehaltenen pantheistischen Zugang seiner Altersgenossen gegenüber der Natur unterscheidet. Minor White erreicht es mit seiner Fotografie, Nähe zwischen dem Betrachter und dem Abgebildeten zu schaffen. Seine Landschaftsaufnahmen symbolisieren dabei den großen Rahmen der Natur, sie sind der Gegenpol zum Intimen der Porträts, gleichzeitig aber auch wesentlicher Teil dieses Abtastens psychischer Befindlichkeiten und Beziehungen. Trotz diesem "Aufladen" der Sequenzen mit abstrakten Symbolen vermitteln die Einzelbilder etwas sehr allgemeingültig Fotografisches. Minor White hat - ähnlich wie Paul Strand - dieses seltene Gespür für die Poesie der Dinge, des Lichts und der Menschen, welches das manchmal Spektakuläre der Landschaftsbilder wohltuend relativiert. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19. 10. 2000)