Selbstironie ist eine schöne Tugend, besonders in Medien wird sie dankbar entgegengenommen. Aber dass sich eine Tageszeitung als Lachnummer anpreist, kommt selten vor. Wolf Martin bewies Sonntag diesbezüglich seelische Größe, als er reimte: Das Kabarett wär brotlos ohne/ die Zeitung, die du liest, die "Krone". Trotz der Unterschätzung heimischer Kabarettisten, die da mitschwingt: So recht hat noch selten ein Schreiber des Kleinformats gehabt. Und um das Kabarett nur ja nicht brotlos zu machen, steuerte er selber einen Gag bei: Drum willst du geistig nicht verwesen, musst täglich du die "Krone" lesen!

Da ist schon der Verwesungsgeruch warnend vor, der dem Leser aus jeder politischen Analyse des Herausgebers entgegenschlägt. Warum Waltraud Klasnic die Landtagswahlen gewonnen hat? Sie ist der steirischen Eigenart näher als alle anderen Politiker. Wenn es nur das wäre. In der Steiermark hat eine Steirerin gewonnen, weil für sie ein Satz Gültigkeit hat, den der große österreichische Dichter Adalbert Stifter geprägt hat: "Mein Lebenselement ist Zutrauen und Freundlichkeit." Und Goethe hat mehr als einmal verkündet, dass Wohlwollen "ewig siegen" werde. Frau Klasnic kann von Glück reden, dass die Steirer, statt Rosegger und Jelinek zu verfallen, vollgesogen mit Stifter und Goethe an die Wahlurnen schritten.

Daneben erwiesen sich die örtlichen Sozialdemokraten als Salonsteirer. Es ist ein Zweikampf zwischen dem marxistischen Flügel und den gemäßigten Sozialisten, die mit Klima eine erstklassige Führungspersönlichkeit verloren haben. Aber noch ist Schlögl da, und sollte sich herausstellen, dass er der niederösterreichischen Eigenart näher ist als alle anderen Politiker, kann Pröll in den Silbersee baden gehen.

Beim marxistischen Flügel der SPÖ dürfte es sich um die Privathalluzination eines geistig Verwesenden handeln, und nicht um die einzige: Stattdessen versuchen sich die gegenwärtigen Spitzenfunktionäre der SPÖ den Grünen mit ihrer kryptokommunistischen Zelle zu nähern. Es ist zu hoffen, dass diese Gefahr rechtzeitig erkannt wird. Wie denn nicht, wenn uns Cato derart schonungslos die Augen öffnet!

Auch, was den FPÖ-Chef betrifft. Das schlechte Abschneiden der FPÖ stärkt - so seltsam das klingen mag - Haider . . . Haider kann jetzt sagen, dass die "Neuen" sich nicht durchgesetzt haben, sodass er gezwungen sei, das Steuer wieder zu übernehmen. Doch willst mit Cato nicht verwesen, musst du danach den Nenning lesen. Der schrieb einen Tag später über Haider: Was immer er macht - es ist falsch . . . Die von ihm erfundene "Schwarz-Blaue" wurde nicht der Weg zum Endsieg, sondern der Weg ins Nichts . . . Haider ist ausgelutscht. Aber bei dieser Einschätzung handelt es sich vermutlich um einen marxistischen Flügelschlag in der kryptokommunistischen Zelle der "Kronen Zeitung".

Nun jedoch wollen wir uns aus den Niederungen politischer Analyse emporschwingen zu höchster Reinheit und dem Hymnus lauschen, den unser Herr Bundespräsident zu Ehren des Großglocker-"Universums" am Nationalfeiertag in "tv-media" anstimmen durfte. Der Berg ruft, und aus der Hofburg schallt das Echo zurück. Was immer Thomas Klestil in der obligaten Fernsehansprache am 26. Oktober von sich zu geben plant - klarer lässt sich nicht mehr vermitteln, was es bedeutet, Österreicher zu sein: Der Großglockner ist für die Österreicher nicht nur ein identitätsstiftender Mythos, er ist auch eine gewaltige Naturschönheit. Das hat was. Willst du geistig nicht verwesen, musst du jetzt endgültig Abschied von dem Glauben nehmen, des Landes identitätsstiftender Mythos wäre die Mozartkugel und seine gewaltige Naturschönheit der Kärntner Landeshauptmann.

Das mag für viele hart sein, aber wenn sich der Herr Bundespräsident für die Fellners in patriotischen Höhenrausch versetzt, müssen auch wir uns der Verantwortung stellen, die uns der Mythos erdrückend auferlegt: Es liegt an uns, dieses herrliche Gebirgsmassiv inmitten des Nationalparks Hohe Tauern in all seiner Schönheit, mit seiner Vegetation, seiner Tierwelt und seinem beeindruckenden Gletscher für die kommenden Generationen zu bewahren. Danke für den Hinweis, aber es ist nicht der erste: Wenn die österreichische Bundeshymne mit den Worten "Land der Berge" beginnt, dann ist damit auch der Auftrag verbunden, unsere herrliche alpine Bergwelt zu pflegen und zu schützen. Dass Paula von Preradovic beim Dichten der Bundeshymne landschaftspflegerische Aspekte im Sinn hatte, ist eine kühne Interpretation, aber authentisch, weil vom Staatsoberhaupt. Das hat sich der "Glockner", dessen markante Silhouette die Phantasie unserer Landsleute auch weiterhin beflügeln möge, verdient.

Klestil: Ich danke dem ORF, der uns damit am Nationalfeiertag ein schönes Geschenk bereitet. Er hätte wenigstens sagen können: dem herrlichen ORF. Und was die Beflügelung der Fantasie unserer Landsleute betrifft, hätte auch ein Dank an den ORF für den identitätsstiftenden Mythos von Taxi Orange nicht geschadet. Schließlich werden die kommenden Generationen vor einer Wiederholung nicht bewahrt bleiben. Günter Traxler