Schon wenige Tage nach der Beschlagnahme zweier Schiele-Gemälde am 7. Jänner 1998 in New York war klar, dass US-Staatsanwalt Robert Morgenthau zumindest ein Bild aus der Sammlung Leopold - die Tote Stadt III - fälschlicherweise konfiszieren ließ. Und doch behielt Morgenthau mit seinen Mutmaßungen grosso modo recht: In der Stiftung Leopold dürften sich gleich mehrere Kunstwerke befinden, die den jüdischen Besitzern in der NS-Zeit gestohlen wurden. Die Republik erließ zwar in der Folge ein Kunstrückgabegesetz, nach dem auch jene Gegenstände zurückgegeben werden sollen, die nach dem Krieg in gutem Glauben erworben worden waren. Aber dieses gilt ganz bewusst nur für die Bestände der Bundesmuseen: Die Stiftung Leopold ist zu keiner Provenienzforschung verpflichtet und auch zu keiner Rückgabe. Das Engagement, "reinen Tisch zu machen", wie dies Kulturministerin Elisabeth Gehrer versprochen hatte, ist daher gering: Zweieinhalb Jahre nach Beginn der staatlichen Provenienzforschung gibt es von Direktor Rudolf Leopold noch immer keinen umfassenden Bericht über die Herkunft jener Kunstwerke, für die der Staat 2,2 Milliarden Schilling gezahlt hat. Man wartet im Stiftungsvorstand lieber darauf, dass die rechtmäßigen Erben vorstellig werden - um die Angelegenheit dann gekonnt "in die Länge zu ziehen", wie schon einmal das beschämende Motto lautete. Und man lässt sich auch heute noch die Schuld lieber beweisen, statt sie einzubekennen. Eine Novelle zum Rückgabegesetz tut daher Not: um den Raubkunstsammler, der sich von keinem seiner Stücke trennen will, in die Pflicht nehmen zu können. Denn ansonsten wären alle Bemühungen um späte Wiedergutmachung auf Dauer von diesem skandalösen Verhalten überschattet. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20. 10. 2000)