Wien - Wie sehnt sich mancher Dichter nach dem richtigen Einfall! Ein Ausschnitt, der für die große Welt steht! In einer Paarbeziehung spiegelt der Musengeküsste dann die Welt der Liebe, im Einzelnen das Mannigfache. Im beschaulichen Kosmos des Bauerntheaters haben es Autoren etwas einfacher: Hier müssen sie sich nur mehr in das gemachte rot-weiß karierte Bett legen. Ihr Welt-Ausschnitt ist die Bauernstube, und manchmal - zügellos - sogar der Ausschnitt selbst. In den Kammerspielen werden dem Zuschauer derzeit zwei Varianten des bäuerlichen Herzstücks geboten: In Der verkaufte Großvater von Anton Hamik präsentiert Bühnenbildner Rolf Langenfass zuerst das Kleinbauernmodell, sprich eine karge, vergilbte Stube, um hernach mit dem Großbauernmodell aufzutrumpfen: Kuckucksuhr, leuchtende Fichte, Geweihe. Natürlich ist auch die Moral etwas unproportioniert: Der Bauer Kreithofer (Peter Moucka), der mit einem Ungustl von Opa geschlagen ist, hat nichts zwischen den Zähnen, dafür ein güldenes Herz; Bauer Haslinger (Wolfgang Böck) isst Geselchtes, hat aber bei allgemein menschlichen Tugenden einen Nachholbedarf. Zwei Stuben, eine Welt, ein Problem: Die Gier geht um. Der Großvater besitzt zwei Häuser, glaubt der Haslinger, und die möchte sich dieser unter den Nagel reißen. Also macht er dem Kreithofer ein gar unmoralisches Angebot: einige Schilling für den alten Herrn. Die Ausweitung der ökonomischen Kampfzone hat an diesem Abend auch die guten Stuben erreicht. Nun heißt der schlaue Opapa in den Kammerspielen aber Otto Schenk, seines Zeichens Legende und Nestroy-Inhaber auf Lebenszeit (Prämierung Samstagabend!). Er hat es erwartungsgemäß faustdick hinter den Ohren: halb Groucho, halb Gruftie, heimtückisch und hinterfotzig. Dabei Otti-mäßig kühl. Thaddäus Podgorskis Inszenierung bettet ihn gut: Das Genre schnurrt ohne Pausen, aber auch ohne Beschleunigungen vor sich hin, von der Textbearbeitung Kroetz' ist nicht viel zu merken. Welche Welt sich im Kammerspiel-Ausschnitt allerdings spiegelt, diese Frage schiebt man vornehm beiseite. (Stephan Hilpold, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21./22. 10. 2000).