Jörg Wörther hat eigentlich keine Zeit, durch den dunklen Wald zu wandern. Denn zu Hause, erzählt er unter besorgtem Stirnrunzeln, würden auch heute wieder eine Menge reservierter Tische warten. Sein Restaurant im Schloss Prielau in Zell am See, einstmals im Besitz des Dichters Hugo von Hofmannsthal, liegt nur eine halbe Stunde von Rauris entfernt. Die flächenmäßig größte Gemeinde Salzburgs ist Treffpunkt für diesen Ausflug in den hintersten Teil des Rauriser Tals, einer Nachbarregion des Gasteiner Tals. Bad Gastein war es, wo der Spitzenkoch einst als Küchenchef des Grand Hotel L'Europe für Liza Minelli kochte und seine ersten Restauranterfahrungen und Hauben sammelte. Am Dorfplatz von Rauris erinnert er sich an diese Zeit, als drüben in Gastein ein letzter Anflug von Glamour schimmerte.

Der prächtige Bergkamm, der die beiden Täler trennt, wirkt von hier unten, vom alten Gemeindehaus aus, anders als die schroffen Steinwände der meisten Massive des Nationalparks Hohe Tauern. Nur wenige nackte Felsen lassen sich blicken. Die in unregelmäßige Falten gelegten Rücken der Berge sehen aus, als habe man sie fein säuberlich mit Grasteppich beklebt - demselben, den auch Modelleisenbahner für ihre Miniatur-Wiesen verwenden.

Das Gemeindehaus ist ein steinernes, steinaltes Baujuwel in dem einst goldrauschige Bergwerkspächter untergebracht waren. Die Hochblüte des Goldrausches hier im Rauriser Tal lag um die Mitte des 16. Jahrhunderts. Schon damals lebten, so wie heute, ungefähr 3000 Menschen in dem 30 Kilometer langen Tal. Inzwischen haben die Leute das Fieber im Griff. Nur noch Urlauber sitzen am gurgelnden Bach und stieren in schlammige Sand- und Kieselsteinhäufchen. Fährt man an den touristischen Gold-Waschanlagen vorbei, kommt bald das Ende des Tals, wo die kleine Tour mit dem Vier-Hauben-Koch Wörther durch den "Rauriser Urwald" losgeht.

Die Landschaft ist durch so genannte Bergstürze geprägt: Massiges Zu-Tal-Sausen ganzer Bergteile ließ unzählige kleine Hügelchen und Terrassen entstehen. Kleinste Nebenerscheinungen dieser Naturgewalt sind fußballgroße Felsstücke, die von üppigem Gras überwuchert sind. Sie verwandeln die unbewaldeten Flächen in kleine bucklige Welten. Hunderte Mulden, kaum eine ist größer als ein Whirlpool, füllten sich zwischen uralten, knorrigen Fichten mit Wasser. Sie wirken wie verzauberte, kleine Tümpelchen, aus denen es hin und wieder mystisch gluckst. Darüber stehen brummende Libellen in der feuchten Waldluft, die mit einem Schuss Romantik das Zeug zu verwandelten Elfen haben.

Mit Jörg Wörther zu wandern heißt hungrig werden. Und das schneller als dies sonst beim wackeren Schritt über Stock und Stein der Fall ist. Der Koch redet natürlich vom Essen und von Leckerbissen, die, so Wörther, zu einem großen Teil aus dieser Gegend kommen - ob Steinpilz, Hecht oder Lammrücken. Auch jede Preiselbeere, die auf einer seiner Speisekarten auftaucht, stammt von einem der hier heimischen Büsche.

Bereits als Kind wanderte er durch diese Wälder, sie geben ihm ein vertrautes Gefühl, das sich heute, in einer für ihn stressigen Zeit, zu einem Glücksgefühl steigert. Das Besondere an einem Tag wie diesem sei die Ruhe, der Geruch, das Finden von ein paar Walderdbeeren oder Schwammerln. Dieses Stück Erde helfe ihm den Kopf frei zu bekommen, und neue Kreationen für seine Speisekarten zu erfinden. So wichtig wie den engen Kontakt mit der Landschaft, schätzt der 42-jährige auch die Kommunikation mit den ansässigen Bio-Bauern ein. Das Gespräch mit den Landwirten und Jägern ist für Wörther wie eine wichtige Zutat, die stimmen muss.

Nach euphorischem Zupfen an einem Schwarzbeerenstrauch überkraxelt der Maître mächtige umgestürzte Baumriesen, manch entwurzelter Stamm muss unten durch passiert werden. Jörg Wörther kommt ins Schwitzen. Aber das ist er gewöhnt - brutzeln und dampfen ihm doch den halben Tag lang allerlei Feinheiten um die Nase, 60 Grad ist die übliche Temperatur an seinem Arbeitsplatz.

Natur ist für Wörther die Summe aller Produkte, die der Mensch zum Leben braucht. Nach einem romantischen Zugang gefragt, denkt der Koch an "so am schön Fleckerl" grinsend an eine wollene Decke, a "liabs Dirndl und an Rucksack" mit einer Jause. Was er in den Rucksack packen würde? Die Antwort überrascht. Als wichtigsten Wanderproviant nennt er ein paar Äpfelchen und Bananen.

Plötzlich, inmitten dichter Farne, zwischen Moortümpeln, fällt ein Geschwader dicker

Mücken ein, die für einige Minuten zur Plage werden und eher ans Mississippi Delta erinnern, als an ein entlegenes Bergtal. Und da wir gerade bei fernen Gegenden sind: Favourits hat der Starkoch keine, die Wüste habe ebenso wie die Karibik ihre Reize. Auch die Toskana, das Piemont oder die Provence sind bei Wörther gut angeschrieben. Bei letzterer Region fallen ihm die besten und schön- sten Hühner der Welt ein - ein Glücksfall für jeden Herd. Und während der kulinarischen Schwärmerei wird der Urwald, der seinen Namen zu Recht trägt, ringsum dichter und dunkler. In den Ästen hängen unzählige Wolfsflechten, eine giftige Spezies, die aussieht wie stumpfe Haarbüschel steinalter Druiden, die hier ebenso vermutet werden können wie ein grölender, schneefester Alpentarzan.

Auch die Flechte bringt uns wieder an den Herd zurück. Aus ihr wurde einst ein gemeines Süppchen gekocht, das Wölfe vertreiben sollte, was aber erst durch gezielten Büchsenknall gelang. Ob sich die geheimnisvollen Räuber je wieder hierher wagen werden, um mit zu naschen am Reichtum, der zum Teil auf den elegant dekorierten Tellern des Schloss Prielau landet, weiß niemand. Derweilen heulen sie noch in Slowenien, weit jenseits der Tauernautobahn. Die fürchten die Raubtiere nämlich mehr als jede Brühe aus leuchtenden Baumflechten. Michael Hausenblas

Jörg Wörther

(42) ist 4-Hauben-Koch in Zell am See und darf sich sogar "Koch des Jahrzehnts" nennen.
Nähere Infos über den Nationalpark Hohe Tauern unter: www.npht.sbg.ac.at

"Ja! Natürlich" hat die Patenschaft für den Nationalpark Hohe Tauern übernommen. Außerdem kooperieren rund um den Nationalpark 1700 Bio-Bauern mit "Ja! Natürlich" und liefern Milch und Fleisch aus biologischer Landwirtschaft. Die Vermarktung über "Ja! Natürlich" hilft mit, die Existenz dieser Betriebe zu sichern. Um auch den Urlaubern einen Einblick in die komplexen Zusammenhänge des biologischen Wirtschaftens zu ermöglichen, hat "Ja! Natürlich" ein völlig neuartiges Projekt gestartet: Urlaub am Bio-Bauernhof im Nationalpark Hohe Tauern.

Info: www.janatuerlich.at

Urlaub am Bio-Bauernhof im Nationalpark Hohe Tauern
Infos und Buchung:
Gabriele Stöger, Klausnerhaus, 5731 Hollersbach,
Tel. 06562 / 8105-3, Fax: DW 5,
e-mail: janatuerlich-urlaub@aon.at