Paris - François Pinault, unter anderem Eigentümer des weltweit führenden Auktionshauses Christie's, kündigt die Gründung der Kunststiftung Fondation Pinault an. Pinault kommt, wie seine Biografen Pierre-Angel Gay und Catherine Monnot vermerken, "aus dem Nichts und hat alles erreicht". Der blauäugige Großkapitalist mit dem gewinnenden Charme wurde im Holzgewerbe durch planmäßiges Aufkaufen von Konkurrenzfirmen mächtig und vermögend. Im Sommer 2000 setzte ihn die Finanzzeitschrift Capital auf Platz drei der französischen Vermögensliste. Hinter seinen Hauptkonkurrenten Bernard Arnault (Louis Vuitton-Moët-Hennessy) und der L'Oréal-Erbin Liliane Bettencourt rangierend, wird Pinault's Vermögen auf 200 Milliarden Schilling geschätzt. Der 1936 als Sohn eines Bauern in der Bretagne geborene François Pinault verfügt über ein breit gefächertes Portefeuille: seine Stammgruppe Pinault-Printemps-Redoute (Kaufhäuser), Conforama (Möbel und Baumaterialien), die größte Buch-und Musikkette FNAC, die Luxusgruppe Gucci, Yves-Saint-Laurent (Mode und Parfums), das Weingut Château-Latour, das Fußballstation von Rennes samt dazugehörigem Club, die Internetgruppe Mageos.com, die Wochenzeitschrift Le Point, Anteile am ersten Privatfernsehprogramm TF 1 via Bouygues (plus Mobiltelefon) und an Le Monde. Seine Privatholding Artemis erwarb 1998 Christie's für geschätzte 15 Milliarden Schilling. Bis 1990 blieb "der Bretone", wie er oft genannt wird, immer in der zweiten Linie: Sei es bei Aufkäufen von maroden Firmen zum Symbolpreis, wobei oft die steuerlichen Hilfen zur finanziellen Gesundung maximal ausgereizt wurden, oder bei seinen Kunstkäufen. 1990 erfuhr die Öffentlichkeit erstmals von einem Kauf in New York, wo François Pinault einen Piet Mondrian von 1925 für rund 100 Millionen Schilling erwarb. Das Wesentliche der auf zeitgenössische Kunst ausgerichteten Sammlung Pinaults wurde in den Jahren der Rezession (1991-93) erworben, als die Preise fielen und die Galerien reihenweise schlossen. Methodisch baute er, beraten von Marc Blondeau (ehemals Sotheby's), seine Sammlung, genauso wie sein Leben, auf. In seinem Pariser Stadtpalais und seinem Wochenendschloss bei Montfort-L'Amaury hängen Warhol, Rauschenberg, Soulages. Im Park stehen monumentale Plastiken von Moore, Chillida, Modigliani und Serra. Im vergangenen Juni erwarb er eine Skulptur von Jeff Koons: Split Rocker, ein mit Blumen bedeckter Minotauruskopf. Weitere Kunstkäufe tätigte der intelligente Neureiche auf dem Fotosektor (Cindy Sherman) und im Videobereich: Gary Hill, Bill Viola, Bruce Naumann. Diese Sammlungen, von denen derzeit nur ein Bruchteil als von Pinault erworben bekannt ist, werden zirka ab 2004 in einem (erst zu planenden) Museum zu sehen sein, sobald auf der Seine-Insel Séguin (wo bis 1992 die Renault-Werkstätten in Betrieb waren), die Fondation Pinault Gestalt annimmt. Architekt Jean Nouvel, der sich für die Erhaltung der Renault-Gebäude und eine vernünftige Nutzung der Seine-Insel einsetzte, begrüßte den Zuschlag an den Milliardär. Dass Pinault's gute Beziehungen zum Bürgermeister von Boulogne (der die Insel Séguin verwaltet) sowie zu einer breit gestreuten Palette an Politikern, mit denen Pinault seit Jahren gesellschaftliche Kontakte pflegt, die Verhandlungen um den Kaufpreis erleichterten, scheint offfensichtlich, stört jedoch niemanden. Die Franzosen hoffen wohl auf einen Guggenheim-Effekt. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24. 10. 2000)