Wasser, Wind und Licht - die Stunde Film mit dem archaisch anmutenden Titel ist aus elementaren Mitteln gemacht. Stan Brakhage, US-Avantgarde-Filmemacher mit einer beeindruckenden, bis in die frühen 50er-Jahre zurückreichenden Werkgeschichte (Dog Star Man-Serie ; The Text of Light ), setzt in seinem jüngsten Langfilm The God of Day Had Gone Down Upon Him auf den Spuren der Gemälde von Monet, Turner oder Rothko bewegte Tableaus auf die Leinwand: Man sieht Bilder, in denen Lichtpunkte auf Wasser tanzen, aquarellartige Panoramen, Miniatur-Dampfer, die sich am Horizont auflösen, einen glänzend schwarz-gelben Feuersalamander oder auch die vielen Farben von Blättern, durch die der Wind fährt. The God of Day Had Gone Down Upon Him ist eine Art Naturfilm - Menschen sind darin kaum zu sehen. Nur als ferne, dunkle Silhouetten an einer Uferlandschaft oder von einer Vignette gerahmt in einem kleinen Boot tauchen sie hie und da auf. Randgestalten in einem lichten, fließenden Universum. Dabei ist Brakhages Film allerdings keineswegs eine pittoreske Arbeit - vielmehr führt er seine Elemente in unendlich vielfältigen Erscheinungsformen vor. Farben tauchen hier auf, in Schattierungen und Abstufungen, über deren Namen man erst lange nachdenken müsste. Konturen verschwimmen, klar Begrenztes löst sich auf. Oft dauert es eine Weile, bis man begreift, was man hier überhaupt vor Augen hat und wie ein (Bewegungs-)Effekt eigentlich zustande kommt. Vor The God of Day Had Gone Down Upon Him wird bei der Viennale ein weiterer neuer Film von Stan Brakhage gezeigt: Persian Series #9 ist ein kurzer Film, in dem zwischen schwarzen Kadern farbige, gemalte Miniaturen aufblitzen und -leuchten. Ein doppeltes Seherlebnis. Und das ist viel, in Zeiten allgegenwärtiger, visueller Belanglosigkeit. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, Beilage 24. 10. 2000)