Technik
Datentransfer der Saturnsonden in Gefahr
Eine Ferndiagnose prognostiziert Störungen - Wissenschafter rätseln, warum der Fehler nicht rechtzeitig entdeckt wurde.
Hamburg - Signaltest mit der seit 1997 dem Ringplaneten Saturn entgegenfliegenden amerikanisch-europäischen Sonde
Cassini-Huygens haben Techniker und Wissenschafter schockiert: Nach dem geplanten Missionsverlauf wird die am Saturn abzustoßende
Huygens-Sonde beim Sturz durch die Atmosphäre des Saturn-Mondes Titan ihre Messdaten nicht störungsfrei an das Mutter-Raumfahrzeug
Cassini übermitteln können.
Diese Ferndiagnose an der Cassini-Huygens-Sonde, die zur Zeit am Planeten Jupiter Schwung holt, ist Anfang September an einem
Ingenieursmodell beim Operationszentrum der Europäischen Raumfahrtorganisation (ESOC) in Darmstadt bestätigt worden. Die Europäische
Weltraumorganisation (ESA) hat jetzt eine Untersuchungskommission mit der Feststellung beauftragt, weshalb die zu erwartenden
Übermittlungsprobleme nicht schon vor dem Start vor drei Jahren entdeckt worden sind.
300 Millionen Dollar
Die Kommission soll sicherstellen, dass das Unternehmen in vollem Umfang verwirklicht werden kann. Auch soll sie dafür sorgen, dass
andere künftig mit ähnlichen Geräten arbeitende ESA-Missionen auf diese Fehler aufmerksam gemacht werden.
Die 300 Millionen Dollar teure und 343 Kilogramm schwere Huygens-Sonde ist der Hauptbeitrag der ESA zur
Cassini-Mission, mit welcher der zweitgrößte Planet Saturn und dessen Monde erforscht werden sollen. Das insgesamt drei Millionen Dollar
(3,58 Mrd. Euro/49,2 Mrd. S) teure Unternehmen ist ein Gemeinschaftsprojekt der US-Weltraumbehörde (NASA), der Europäischen
Weltraumorganisation (ESA) und der italienischen Weltraumagentur (ASI).
Die Ankunft der sechs Tonnen schweren und zwei Stockwerke hohen Doppelsonde ist für den Juli 2004 geplant. Ein Kernstück des
Projektes ist der Huygens-Abstieg zum Titan, nach dem Jupiter-Trabanten Ganymed der zweitgrößte Mond unseres Sonnensystems.
Handlungsspielraum
Bis zum Sommer 2001 wird nun bei der NASA und bei der ESA nach Optionen gesucht, um einen lückenlosen Ablauf der Huygens-Mission
zu gewährleisten. Die in Aussicht genommenen Alternativen dürften nach Erwartung der Experten indessen mehr Treibstoff kosten und das
ohnehin komplizierte Programm noch schwieriger machen.
Nach Informationen von zuständiger ESA-Seite könnte die Geschwindigkeit des Cassini-Mutterschiffs reduziert und dadurch der Empfang
der Huygens-Signale verstärkt werden. Möglich wäre auch die Anhebung der Cassini-Umlaufhöhe. Schließlich ist es denkbar, die
Cassini-Antenne ständig auf Huygens gerichtet zu halten, anstatt sie von Anfang an auf den Huygens-Landeplatz auszurichten.
Bei der ESA ist man zuversichtlich, das Problem bewältigen und die erwartete Datenmenge sicherstellen zu können. Auf jeden Fall, so heißt
es bei der ESA, werden die jetzt zu treffenden Maßnahmen von der Notwendigkeit voller Gewährleistung der einzigartigen Cassini-
Huygens-Mission ausgehen.
Der Fahrplan
Die mit einer Geschwindigkeit von 30.000 Stundenkilometern niederstürzende Huygens-Sonde wird zunächst durch die Mondatmosphäre
abgebremst. Während des Abstiegs am Fallschirm und möglicherweise noch 30 Minuten von der Titan-Oberfläche aus wird die
Tochtersonde über den Cassini-Orbiter Daten zur Erde funken.
Das Mutterfahrzeug soll seine wissenschaftliche Tour im Saturn-System noch vier Jahre fortsetzen. Deutschland nimmt an der
Cassini-Huygens-Mission über das ESA-Programm teil. Zwei der insgesamt 18 Instrumente stehen unter deutscher Federführung.
Von den eisigen Saturnmonden ist Titan mit seinem Durchmesser von 5.140 Kilometern der größte und interessanteste Trabant. Wie es bei
Temperaturen bis minus 180 Grad Celsius auf ihm aussehen könnte, ist Gegenstand der Spekulation. Am meisten sind die Forscher auf die
dünne ihn umgebende Atmosphäre gespannt, die etwa der Hülle entsprechen könnte, welche die Erde vor zwei Milliarden Jahren umgab. (APA/dpa)