Film
Größe-Kult mit Brecheisen
Tom Tykwers "Der Krieger und die Kaiserin"
Wien - Spätestens seit Lola rennt
weiß die deutsche Filmkritik oder besser: sie behauptet und bejubelt ganz inständig und euphorisch, dass der junge Regisseur Tom Tykwer die Speerspitze ihres Kinos bei der Rückeroberung seines Platzes in der Weltkinokultur ist - zumindest sieht sein Kino so aus wie das, was man auch hierzulande gerne für gute Kunst hält: groß(tuerisch)e Bilder, (gerne)große Gefühle und der ständige (manchmal ans kriecherisch Speichelleckerische grenzende, film- produktionswirtschaftsförderungskompatible) Wille zum Kontakt mit dem Publikum (wie der Kritik).
Tykwer produziert zu aller Wohlgefallen Filme, mit denen man sich auf den Festivals wie den Märkten zeigen kann, mit denen man Preise gewinnen und gleichzeitig auch noch hohe Profite einfahren kann. So wartete man denn gespannt auf sein nächstes Werk,
Der Krieger und die Kaiserin
, das denn auch mit großem Erfolg auf der diesjährigen Viennale präsentiert wurde - was auch immer das bedeuten wie wert sein mag.
Bodo (Benno Fürmann) war bei der Bundeswehr und dort allem Anschein nach glücklich: Zumindest war es eine Welt, die er verstand und die ihn verstand; jetzt steht er da, in der Normalität, lebt bei seinem älteren Bruder Walter (Joachim Król) und weiß nicht, was er soll - ohne seine Frau, die quasi vor seinen Augen verbrannte.
Sissi wiederum ist Pflegerin in einer Nervenheilanstalt: geliebt von den männlichen Patienten, die sie wiederliebt, auf die eine oder andere Art. Und eines Tages passiert's: Sie finden sich unter einem Laster, der Sissi überfahren hat und unter dem sich Bodo versteckt hat: Bodo rettet Sissi mit einem Luftröhrenschnitt das Leben. Dann verschwindet er. Sissi macht sich nun auf die Suche nach Bodo, der unterdessen mit seinem Bruder einen Bankraub plant ...
Tykwer wie immer also. Wie sagte er in einem Interview: "Ich habe auch diesen Film aus demselben Gestus heraus gemacht, aus dem ich immer Filme gemacht habe: Persönliche, eigenwillige Filme für ein großes Publikum." Und: "Eine ganz wichtige Überschrift des Films für mich war, dass jemand, der eigentlich nicht weiß, wie die Liebe geht, auf jemanden trifft, der nichts mehr mit der Liebe zu tun haben will. Erfahrungswerte treffen auf Nichterfahrungswerte." Und der Zufall spielt den Deus ex Machina.
Farben der Hoffnung
Bestimmung und Zufall -
so wird bestimmt das erste Buch über Tykwer heißen, mit Kapiteln wie "Farben der Hoffnung", "Bewegungen wider die Zeit", "Bigger than Life", "Heimatbilder" etc. Tykwers größtes Problem war schon immer, dass er glaubt, Größe herbeizwingen zu können: dass Größe ein primärer und nicht ein sekundärer, auf anderem basierender Wert ist: dass er etwas, das er für Größe hält, ausstellt, statt Größe sich entwickeln und ausbreiten zu lassen. Tykwers Art von Größe ist eine Fassade: dahinter nur geistige wie seelische Leere.
Jedes inszenatorische Moment wirkt wie mit dem Brecheisen herbeigewollt, jedes so geschaffene Gefühl wie ein Befehl: autoritäres Kino, das immer will und nie gibt - ein geiziges Kino der Kapitalakkumulation, dass sich in seiner Art nicht von einer x-beliebigen Bruckheimer- oder Arnaud-Produktion unterscheidet. Schlussendlich fühlt man sich von den Filmen immer betrogen.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27. 10. 2000)