Sehr geehrter Herr Staatsminister Michael Naumann! Ihre Empfehlung an den Börsenverein des Deutschen Buchhandels, sich mit einer nationalen deutschen Buchpreisbindung zufrieden zu geben und die Preisfreigabe für die fünf Prozent des Umsatzes deutscher Verlage in Österreich zu akzeptieren, ist übelster Kolonialisierungsstil. Und das wissen Sie auch, da Sie bei Ihrem Amtsantritt selbst festgestellt haben, daß dieser Bruchteil deutscher Verlagsumsätze vier Fünftel der Umsätze im österreichischen Buchhandel beträgt.

Perlen vor die Säue

Im Klartext bedeutet Ihr Ansinnen also nichts anderes als die Zumutung, daß die österreichischen Verlage, der österreichische Buchhandel, die österreichischen Autoren und die österreichischen Leser als vor die Säue geworfene Perlen zur Aufrechterhaltung eines intakten deutschen Buchmarktes und Verlagswesens herhalten sollen. Und daß Karel van Miert, der in Österreich schon deshalb häufig in Schlagzeilen zu finden ist, weil er in Schlagzeilen redet, mittels von ihm beauftragter Gutachten - deren Autoren das Gegenteil von dem glauben, was ihre Gutachten zum Ausdruck bringen, wie ich jüngst im Gespräch mit einem dieser Gutachter feststellen konnte - von Ihnen den Lohn für seine Mühen zur Zerschlagung der grenzüberschreitenden Buchpreisbindung erhält.

Vielleicht sind ja auch Sie nicht der Meinung, welche Sie gegenüber dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels und der Wettbewerbsdirektion der EU zum Ausdruck gebracht haben, denn schließlich gehört zur Bekleidung einer Spitzenfunktion und zur Ausübung einer qualifizierten Tätigkeit auch so etwas wie "Kultiviertheit" und somit ein Bewußtsein darüber, daß außerhalb der Waren- und Konsumwirklichkeit noch etwas anderes existiert, das Sie, van Miert und andere Spitzen der Gesellschaft aber offenbar für sich alleine haben wollen.

Sie sind sicher kein Kenner der österreichischen Wirtschaftssituation auf den Gebieten Kultur und Medien, denn sonst wüßten Sie, welcher Entwicklung Sie mit Ihrer Äußerung zur Seite stehen.

Oder sollte Ihnen ohnehin bekannt gewesen sein, daß es im österreichischen Buchgemeinschaftswesen nur mehr einen einzigen Anbieter, die Bertelsmann Gruppe, gibt? Und daß dem Buchhandel in Österreich nun ein zweites solches Monopol mit dem Unternehmen Libro/Amadeus droht, in dessen Hintergrund der deutsche Lebensmittelkonzern Rewe steht, der den Großteil der Supermärkte in Ostösterreich kontrolliert?

Vielleicht halten Sie das aber auch für einen Ausdruck von Angebotsvielfalt und Wahlfreiheit für den Konsumenten, der immer noch entscheiden kann, ob er sein Geld bei Bertelsmann oder Libro/ Amadeus/Rewe ausgibt?

Aus meiner Sicht stellt sich die Sache jedenfalls so dar, daß Sie in der Frage der Buchpreisbindung eine Kehrtwendung gemacht haben, mit der Sie österreichischen Autoren und Verlagen die Auflagenlosigkeit verschreiben.

Schöne Aussicht

Für diesen Bärendienst an der österreichischen Kultur und an den österreichischen Medien werden Ihnen die betroffenen Autoren und Verlage zeitlebens danken.

Allzu lange wird die Lebenszeit der meisten dieser Verlage nach Aufhebung der Buchpreisbindung ohnehin nicht mehr bemessen sein, weshalb Sie sich schon jetzt beruhigt zurücklehnen können, um die nahe Zukunft zu erwarten, wo Sie mit anderen Ex-Verlegern zusammensitzen und gemeinsame Erinnerungen an die goldenen Verlagszeiten austauschen können, in denen es noch eine Freude war, Autoren zu entdecken, sie zu verlegen und ihre Bücher in den Handel zu bringen.

Im übrigen: Ob Ihr neuer Denkansatz auch politisch klug ist, bleibe dahingestellt. Schließlich hängt das Gelingen der von Ihnen empfohlenen nationalen deutschen Buchpreisbindung davon ab, daß keiner der deutschen Verlage von Re-Importen Gebrauch macht. Und das glauben Sie doch wohl selbst nicht - oder?
Gerhard Ruiss ist Geschäftsführer der Interessengemeinschaft österreichischer Autorinnen und Autoren.