Welt
"Computer-Kreolisch"
Wissenschaftstag hinterfragt die Sprache(n) des Menschen
Semmering - Europarat und EU haben das Jahr 2001 zum Europäischen Jahr der Sprachen ausgerufen. Auf Einladung der
Österreichischen Forschungsgemeinschaft diskutieren daher internationale Forscher bis Samstag im Hotel Panhans
am Semmering das Thema "Der Mensch und seine Sprache(n)" - von der Entstehung und Veränderung der Sprache über
sprachliche Zeichensysteme und Denkmodelle bis hin zur Rolle der Sprache in Politik und Neuen Medien.
Wolfgang Coy (Berlin) zeigte sich überzeugt, dass die neuen Technologien unseren Umgang mit Sprache verändern werden.
Noch vor fünfzehn Jahren hätte der Informatiker computergestützten Schreib- und Übersetzungsprogrammen keine Chance
gegeben. Mittlerweile haben sich Hard- und Software so weit entwickelt, dass Spracheingabe eines Tages die Tastatur
ersetzen wird. Das Grundproblem des Dialogs mit dem Computer liege allerdings noch immer im Kontext, also darin, einer
Maschine begreiflich zu machen, was mit einem Satz gemeint ist, damit diese auch komplexere gesprochene Befehle in
sinnvolle Handlungen umsetzen kann. Dennoch, so Coy, "ob wir wollen oder nicht - wir werden mit diesen Geräten in einer
seltsamen Weise, einer Art Computer-Kreolisch, kommunizieren".
Linguist Paul Chilton (Birmingham) beschäftigte sich mit der Angst vor "Überfremdung" der Sprache. Dazu analysierte er drei
politische Reden - je eine der britischen konservativen Politiker Enoch Powell (1968) und William Hague (2000) und eine von
Jörg Haider (1999) - und suchte nach Parallelen in der linguistischen Behandlung des Themas Einwanderer und
Asylbewerber. Fazit:
Im Vergleich zu den Sechzigerjahren hat sich im Klima des politischen Diskurses einiges geändert. Es wird mehr
Anstrengung darauf verwendet, den Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit von sich zu weisen und auf die eigenen
moralisch-demokratischen Prinzipien zu pochen. Gleichzeitig sind Politiker dazu gezwungen, auf ihre Wortwahl zu achten
und greifen daher zu Euphemismen und indirekten Stilmitteln. Als syntaktisches Mittel werde den Außenseitern oft die Rolle
des Subjekts, also des Handelnden, und der heimischen Bevölkerung jene des Objekts, des "Opfers", zugewiesen. Die
Kategorisierung "gute" und "böse" Einwanderer, "echte" und "Schein"asylbewerber zähle ebenso zur "Schönfärberei" wie die
Bezeichnung "reception centres" für Auffanglager für Asylsuchende.
Chilton sieht trotz dieser Ausweichmanöver viel Positives an der Political Correctness: "Es ist wichtig, darauf zu achten, wie
mit bestimmten Gruppen wie Frauen, Schwarzen oder Einwanderern sprachlich umgegangen wird, denn gesellschaftliche
Realitäten werden auch durch Sprache geschaffen." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28./29. 10. 2000).