Auch wenn die beiden russischen Kosmonauten und der US-Astronaut die ersten Menschen an Bord sein mögen, das erste Leben sind sie nicht: Höchstwahrscheinlich gedeihen dort schon Bakterien und Pilze, die mit Bauteilen und "Bauarbeitern" auf die Station gelangten und sich auch unter Weltallbedingungen behaupten: Auf der russischen Raumstation Mir hat man 250 verschiedene Mikroorganismen identifiziert, die Fenster bis zur Undurchsichtigkeit überwuchern und an Isolations- und anderem Plastikmaterial knabbern. Aber nicht nur die Technik ist bedroht, auch die Menschen sind es, zunächst die auf ISS. Zwar sind bisher auch von Langzeitaufenthalten auf Mir keine Erkrankungen bekannt geworden, aber das kann an Geheimhaltung liegen: Erkrankungen im All sind wahrscheinlicher als auf der Erde, da der vielfältige Stress längerer Raumflüge das Immunsystem schwächt. Längere Raumflüge können aber noch etwas ganz anderes bringen, was nicht nur die Astronauten bedroht: In der starken kosmischen und UV-Strahlung des Alls mutieren Mikroorganismen rascher als auf der Erde. Das weiß man von Mir, auf der man nicht nur bei "wild" wuchernden Pilzen erhöhte Mutationsraten bemerkte, sondern auch gezielt mit Bakterien experimentierte: Ihre Antibiotika-Resistenz erhöhte sich. Möglicherweise liegt das an der Schwerelosigkeit. Folgeversuche in US-Labors an Salmonellen brachten noch bedrohlichere Befunde: In nur zehn Stunden Schwerelosigkeit hatten die Bakterien sowohl ihre Zahl wie ihre Aggressivität stark erhöht: Im Mäuseversuch wuchsen die Bakterienkolonien zur 27fachen Größe von normalen, und sie brachten die Mäuse viel rascher zu Tode. Zwar verlor sich diese Eigenschaft unter der Schwerkraft wieder, aber man nimmt das Problem von Astronauten, die aus dem All Krankheitserreger mitbringen könnten, die auf der Erde unbekannt sind, doch ernst genug, um neue Forschungsprogramme aufzulegen. (red/ DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31. 10. / 1.11. 2000).