München/Berlin - Der von den deutschen Unionsparteien geprägte umstrittene Begriff der "deutschen Leitkultur" sorgt weiter für Diskussionen. Der Präsident des deutschen PEN, Said, hält ihn für eine "Missgeburt". Einen solchen Begriff habe es in dieser Weise bisher nicht gegeben. "Er ist aus der Politik herübergetragen worden in den Bereich der Kultur", sagte der seit 35 Jahren im deutschen Kulturraum lebende und in Deutsch schreibende iranische Autor in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung". Darüber hinaus erinnere ihn der Begriff an den Spruch "am deutschen Wesen soll die Welt genesen". "Horzontales" Nebeneinander Nach Ansicht Saids sollten solche Begriffe heute in Europa keinen Platz mehr haben, in der heutigen Zeit gehe es eher um ein "horizontales" Nebeneinander der Kulturen. Der zuerst von dem Bundestagsfraktionsvorsitzenden der CDU/CSU, Friedrich Merz, in die Diskussion gebrachte Begriff "Leitkultur" sei dagegen "vertikal, von oben nach unter gedacht". Der naive Glaube, für immer diskreditiert Auch der deutsche Kulturstaatsminister Michael Naumann (SPD) sich zum Begriff der "Leitkultur" kritisch geäußert. Anders als die USA sei in Deutschland der "naive Glaube" an ein Gemeinschaftsgefühl über die Kultur durch den Nationalsozialismus für immer diskreditiert, sagte Naumann am Montagabend auf einer Podiumsdiskussion in Berlin zur Frage "Was ist Kultur" in der Akademie der Künste. Er plädierte stattdessen dafür, den Zusammenhalt der Gesellschaft ausschließlich über Rechtsstaat und Verfassung zu sichern. Dagegen sagte der Berliner Kultursenator Christoph Stölzl (parteilos), jede Gesellschaft brauche einen "gemeinsamen Kanon". Allerdings sollten sich die Deutschen zunächst selber darüber im Klaren werden und erst danach dies auch von den Einwanderern fordern. (APA/dpa)