IT-Business
"Style never dies"
Das notorische Online-Modehaus boo.com feierte dieser Tage sein Comeback
Im Mai dieses Jahres erlangte der britische Online-Modehändler boo.com
traurige Berühmtheit.
Als erste große europäische Dotcom-Pleite ging das Shopping-Portal in die
Annalen ein. Nicht weniger als 150 Millionen Dollar hatten die schwedischen
Gründer des E-tailers in kaum 18 Monaten stilsicher in den Sand gesetzt. Das
US-Online-Modeimperium
Fashionmall.com
nähte sich infolge für eine nicht
genannte Summe die Rechte auf den Namen ein und arbeitete seither an
Konzepten für das Comeback der notorischen Marke. Seit vergangenen Montag
ist boo.com wieder online. Die zweifelhafte Berühmtheit des Namens sieht man
seitens der neuen Eigentümer eher als Vorteil denn als Handicap. "Nennen Sie
mir eine andere Website, über die sechs Monate nachdem sie den Betrieb
eingestellt hat, noch immer gesprochen wird," meint die Geschäftsführerin
der Modeseite, Kate Buggeln, gegenüber der Londoner
Times
. Außerdem: "Style never dies", gibt sich Buggeln
über den Erfolg des Relaunches zuversichtlich.
Stilberatung
Anstatt auf den Verkauf luxuriöser Kleidungsstücke und Accessoires und die
damit einhergehenden hohen Lagerhaltungskosten, setzen die neuen Eigentümer
nun auf Stil-Beratung. Anstatt eigene Waren anzupreisen wartet das
Maskottchen der Site, Miss Boo, nun mit Tipps zum stilbewussten Einkaufen im
Internet auf. Auf Trends wolle man aufmerksam machen, "wearables" und
"playables" für die finanzkräftige Zielgruppe der 18 bis 30jährigen im Netz
aufspüren, heisst es seitens des Unternehmens.
Werbung und Co-Branding
Geld soll zunächst über Werbung und Sponsoren verdient werden. Der Verkauf
von User-Daten an die Modeindustrie soll darüber hinaus die Umsätze in die
Höhe treiben. Auch an das Co-Branding von Accessoires und Kleidungsstücken
ist gedacht. Während man sich zur Zeit auf die USA und Großbritannien
konzentriert, ist infolge auch die Expansion in weitere westeuropäische
Länder geplant. Beschäftigten die glücklosen Vorgänger noch rund 150
Personen, so tummeln sich zur Zeit lediglich zehn Angestellte in den
Londoner Büros. Auch bei der Werbung gibt man sich vergleichsweise
bescheiden. Lediglich eine Million Dollar kostete die Kampagne zum Relaunch.
(Die Vorgängerseite butterte im Vergleich dazu rund 40 Millionen Dollar ins
Marketing).
Die Gewinnzone, so Bugglen, soll "sobald wie möglich" erreicht werden.
"Morbide Neugier"
Während einige Analysten prognostizieren, dass das neugestaltete Mode-Protal
bereits innerhalb eines Jahres positiv bilanzieren könnte, betrachten andere
die Wiederauferstehung mit Skepsis. "Sicherlich wird zunächst
eine Art von morbider Neugier einige Besucher auf die Seite locken, aber ob
das ein befriedigendes Geschäftsmodell ist, wage ich zu bezweifeln," ätzte
etwa Ruth Porat von Morgan Stanley Dean Witter gegenüber dem
International Herald Tribune
.
Aber nicht nur das US-Modeimperium sondern auch ehemaligen Eigentümer von
boo.com wollen mit dem zweifelhaften Mythos abkassieren. Ernst Malmsten,
Patrik Hedelin und Kajsa Leander die Gründer der Modeseite, heisst es in
Branchenkreisen, arbeiten bereits an einem Buch über die spektakuläre
Pleite. (dax)