Wien - Bevor das Spiel beginnt, wird eine nationalfeiertägliche Grußbotschaft des Bundespräsidenten vorgelesen. Glückwünsche von höchster Instanz - und somit ein hübscher Kontrast zu den zentralen Figuren des anschließenden Bühnengeschehens. Auch wenn im Vordergrund der Handlung weniger das Verhältnis von Nestroy (Adi Hirschal) und Raimund (Bernd Jeschek) zur Obrigkeit (Gottfried Pfeiffer als Hofrat) als vielmehr zueinander, zur Kritik (Hermann Schmidt als Rezensent Bäuerle) und vor allem zur Weiblichkeit steht. Doch so entscheidend der Einfluss von Wagner, Weiler und Krones (Waltraud Österreicher, Gabriele Schuchter, Katharina Stemberger) auch auf das Wirken und Wesen der beiden Lichtgestalten der österreichischen Theatergeschichte gewesen ist, in Ewig schad' um uns bleiben sie bezeichnenderweise schablonenhafte Randerscheinungen. Dennoch ist das Alt-Wiener Singspiel eine interessante Chronik der Ereignisse in den Monaten vor Raimunds Selbstmord, in die Peter Hofbauer Zitate, Szenen und die bekanntesten Lieder aus den Werken der zeitlebens verfeindeten Bühnenkünstler eingewoben hat. Dass es bei einem Singspiel von Vorteil ist, singen zu können, belegen vor allem Schuchter und Hirschal, dessen facettenreiche Stimme die erforderlichen Stückerln spielt: vom grindigen Geschnarre bis zum schönen Schmelz. Wenn hingegen Katharina Stemberger gezwungen wird, ihr Stimmchen zu erheben, wird selbst Brüderlein fein zu einer nicht enden wollenden Tortur. Wegen einiger Längen in der ersten Hälfte hat es der Chor auf der Galerie nach der Pause offenbar plötzlich besonders eilig. Zu eilig für das Orchester unter Paul Gulda, der dem biedermeierlichen Ambiente ansonsten einen munteren, gelegentlich dezent schrägen, an Die Knödel erinnernden Unterton verpasst. Beeindruckend auch das symbolträchtige, multifunktionelle Bühnenbild (Sara B. Weingart): ein überdimensionaler Sekretär in aufgewühlter Schräglage. Abschüssig und zunehmend abgründig geht es darauf zu. Hinein ins albtraumhafte Finale, in dem endlich jene Begegnung stattfindet, zu der es in Wahrheit nie kam: Zwei Rivalen und Rappelköpfe reichen einander die Hände. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2. 11. 2000)