Mensch
"Wir ziehen unsere Kinder zu steril auf"
Wer in der Kindheit vielen Schadstoffen ausgesetzt ist, leidet als Erwachsener seltener an Allergien
Frankfurt/Main - Wer in der Kindheit vielen Schadstoffen ausgesetzt ist, leidet Hautärzten zufolge als Erwachsener seltener an
Allergien. "Überspitzt könnte man sagen, wer seine Kinder in Dreck und Speck aufwachsen lässt, verhindert Allergien", sagte der Präsident
der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft, Prof. Erwin Schöpf (Freiburg). Verschiedene Untersuchungen hätten gezeigt, dass es sich
positiv auf die Gesundheit auswirke, wenn Kinder frühzeitig einen Infekt durchlebten.
Menschen aus der ehemaligen DDR litten zum Beispiel seltener an der juckenden Hauterkrankung Neurodermitis. Die Erkrankungsrate lege
seit der Wiedervereinigung jedoch zu. In Gesamtdeutschland leiden gegenwärtig rund fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung an
behandlungsbedürftiger Neurodermitis.
Immunsystem muss "abgehärtet" werden
"Über die Gründe, wieso in besonders schadstoffbelasteten Regionen weniger Menschen erkrankt sind, gibt es viele Spekulationen, aber
wenige Beweise", sagte Schöpf. Die Zahlen aber belegten eindeutig, dass sämtliche Allergenen Erkrankungen, also auch Heuschnupfen oder
Asthma, in der DDR seltener waren.
"Wir ziehen unsere Kinder zu steril auf", sagte Schöpf. "So kommt das Immunsystem später auf die Idee, gegen harmlose Umweltstoffe wie
Pollen oder Milben allergisch zu reagieren." Statt als Eltern übertrieben darauf zu achten, dass sich die Kinder ja keinen Virus einfangen, sei es
besser, das Immunsystem der Kleinen "abzuhärten". Kindergärten und kinderreiche Familien seien dazu gut geeignet.
Neue Heilungserfolge bei Neurodermitis oder verwandten Hautkrankheiten erhoffen sich die Dermatologen von einem in Japan entwickelten
Präparat, das aus einem natürlichen Pilz gewonnen wird. Die Salbe wirke ähnlich gut wie die bisher üblichen Präparate mit Kortison ohne
dessen Nebenwirkungen, sagte Schöpf. Es hemme die "wild gewordenen Zellen" und stoppe so den Juckreiz. "Wir rechnen in ein bis zwei
Jahren mit einer Zulassung in Europa." (APA/dpa)