Washington/Gotha - Das weltweit früheste bekannte Landwirbeltier mit zweibeinigem aufrechten Gang kommt aus Thüringen. Lange bevor so manche Dinosaurier, die Vögel und die Menschen sich auf zwei Beinen über die Erde zu bewegten, habe sie das 290 Millionen Jahre alte Reptil auf der Startlinie der Zweifüßer überholt. Das berichtet ein internationales Team, darunter Saurierspezialisten aus Pittsburgh (USA), Toronto (Kanada) und Gotha im US-Fachjournal "Science" . Dort präsentieren sie das nahezu vollständige fossile Skeletts dieses frühen Läufers aus dem Bromacker bei Tambach-Dietharz in Thüringen. Die Skelettmerkmale deuten darauf hin, dass der "Eudibamus cursoris" sich flink auf zwei Beinen, wahrscheinlich auf den Zehen, fortbewegen konnte. Die Körperhaltung war aufrecht, und die Gliedmaßen bewegte das Tier pendelartig und parallel zur Körperachse. Die Haltung ähnle der von laufenden Menschen. Steuerruder Auffällig sei die extreme Schwanzlänge im Verhältnis zum Rumpf, sagte der Gothaer Paläontologe Thomas Martens vom Museum der Natur Gotha, der das Skelett 1993 zusammen mit US-Forschern auf dem Bromacker ausgegraben hatte. Er diente vermutlich dem Pflanzenfresser als "Steuer" bei schneller Fortbewegung und Flucht. Der Fund habe sich nach umfangreicher Präparation und wissenschaftlicher Bearbeitung mit den Spezialisten in den USA und Kanada als der bisher älteste fossile Nachweis eines zweibeinigen Landwirbeltieres entpuppt, sagte Martens. Das Skelett befinde sich noch in Amerika und werde in etwa einem Jahr in Gotha zu sehen sein. Das Fossil stellt nach Meinung der Wissenschafter eine neue Art dar. "Eudibamus cursoris" sei das älteste bekannte Mitglied einer Hauptgruppe bekannter primitiver Reptilien. Der Eudibamus scheint jedoch kein direkter Vorfahre späterer Reptilien - einschließlich einiger Dinosaurier - zu sein, die Körperhaltung und Gangart der Zweifüßer übernahmen. Eine gute Idee der Evolution "Dieser Fund ist faszinierend, denn er bestätigt, das die zweifüßige Fortbewegung als innovative Weiterentwicklung mehrmals stattgefunden hat - bei einigen Dinosauriern, ihren Vogelnachkommen und dann nochmals bei den Säugetieren", meint Science-Mitverfasser Robert R. Reisz von der Universität of Toronto in Mississauga (Kanada). "Unter evolutionären Gesichtspunkten muss es sich demnach um eine gute Idee handeln". In langsameren Momenten bewegte sich das Reptil wahrscheinlich vierfüßig, meinen die Forscher. Selbst auf vier Beinen würde die auffällige Körperhaltung des Eudibamus zu einer Fortbewegungsart geführt haben, die sich von der ungestümen Art der anderen Vierfüßer dieser Zeit unterschied, die sich mit angewinkelten Armen und Beinen bewegten. Die Fundstelle im roten Gestein nahe des Rennsteigs sei erst seit etwa 20 Jahren bekannt und gelte als eines der wenigen weltweiten "Fenster" in die frühe Vergangenheit, sagte Thomas Martens. Auf dem Bromacker wurden bisher mehr als 30 Skelette von sechs verschiedenen Ursaurierarten entdeckt, die vor etwa 290 bis 268 Millionen Jahren im frühen Perm lebten. Sie haben erstaunliche Ähnlichkeit mit Funden aus den Rocky Mountains. Es sei ein biologischer Beweis, dass damals eine Landbrücke zwischen Europa und Amerika bestanden habe. (APA/dpa)