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UN-Administrator Kouchner warnt vor zu großen Erwartungen

Foto: Reuters
UN-Verwalter Bernhard Kouchner warnt am Freitag im STANDARD-Interview vor zu großen Erwartungen bezüglich der Entwicklungen im Kosovo und der Beziehung des Kosovo zu Serbien: "Übereilung", "Hast" und "Ungeduld" fürchtet der UNO- Verwalter des Kosovo, Bernard Kouchner, seit dem Wandel in Belgrad am meisten, wenn es um die Zukunft der von ihm verwalteten Provinz geht. Es gehöre ohnehin nicht zu seinen Aufgaben, über die Unabhängigkeit oder sonst einen "endgültigen Status" des Kosovo nachzudenken, hebt er hervor. Aber auch was jetzt in den europäischen Hauptstädten debattiert wird, geht ihm entschieden zu schnell. Die UNO-Resolution 1244, das "Grundgesetz" und die einzige Grundlage der UN-Mission, enthält einen Passus, der die Herstellung einer "substanziellen Autonomie" für den Kosovo einer "internationalen Konferenz" vorbehält. Über grundsätzliche Statusfragen schweigt sie sich aber aus. Am Anfang habe er gedacht, so Kouchner, eine Verwaltung des Kosovo auf der Grundlage der eher vagen Resolution des Weltsicherheitsrats sei nur für "sehr kurze Zeit" möglich. "Wir hatten hier ein bedrucktes T-Shirt mit der Aufschrift: "1244 - We do it in the dark", erzählt Kouchner aus den Anfangstagen der Mission: "Und wir haben es wirklich im Dunkeln gemacht." Inzwischen denke er anders über die Tragfähigkeit von "1244". Die Resolution sei das einzige Papier, das von allen anerkannt werde: vom neuen jugoslawischen Präsidenten Vojislav Kostunica, von den Kosovo-Albanern und sogar von den Kosovo-Serben. Eine Debatte über den endgültigen Status sei deshalb nicht nur verfrüht, sondern auch unnötig. Das Gutachten der "Unabhängigen Kosovo-Kommission", die in der vorigen Woche eine "bedingte Unabhängigkeit" vorgeschlagen hatte, habe er "noch nicht gelesen". Es liegt immerhin schon auf seinem Schreibtisch. Den Einwand, dass die Privatisierung der Wirtschaft eine rasche Entscheidung über den endgültigen Status des Kosovo nötig mache, mag Kouchner nicht gelten lassen. Er sei "nicht die Weltbank". Wirtschaftliche Entwicklung sei "wichtig", wichtiger sei aber, dass das Morden aufhöre: "Ohne Sicherheit wird hier niemand investieren." Er verstehe auch nicht, warum es ein vordringliches Ziel sein solle, mittels Privatisierung jetzt noch einmal Zehntausende Arbeitslose zu schaffen. Kräftiger Fluch Sorge macht Kouchner auch, dass das internationale Interesse sich so plötzlich von Pristina nach Belgrad verlagert hat. Gerade eben habe er erfahren, dass das World Food Programme sein Regionalbüro von Pristina nach Belgrad verlegen wolle, was ihm einen kräftigen Fluch entlockt. "Wenn das so weitergeht, und das trotz der Beweise von politischer Reife, die die Leute hier abgelegt haben, dann rebellieren sie!" Die Aufgabe, zwei seit Jahrhunderten verfeindete Völker zu versöhnen, sei keine "Fernsehmission", die in vierzehn Tagen abgeschlossen sein könne. Nirgends sonst sei es gelungen, nur 16 Monate nach einem Krieg, der zum Teil auch ein Bürgerkrieg gewesen sei, eine friedliche Wahl abzuhalten. Das Ergebnis der Kommunalwahl vom letzten Samstag würdigt Kouchner als "Votum der Mäßigung und der Reife". Bei den Wahlen hatte die gemäßigte "Demokratische Liga" unter Ibrahim Rugova über 58 Prozent der Stimmen bekommen. Weitere 26 Prozent entfielen auf die Partei des früheren Guerillaführers Hashim Thaci. Am 23. Dezember finden in der jugoslawischen Teilrepublik Serbien Wahlen statt. Der frühe Termin stellt den UNO-Verwalter vor ein Problem: Die UN-Resolution bekräftigt die Zugehörigkeit des Kosovo zu Jugoslawien, sagt aber über dessen Zugehörigkeit zu Serbien nichts aus. Kouchner muss entscheiden, ob die UN-Verwaltung die Wahl im Kosovo organisiert oder nicht. Serben wie Albaner erwarten, dass Kouchners Entscheidung das Verhältnis des Kosovo zu Serbien in ihrem Sinne präjudiziert. Kouchner erkennt an, dass Kostunica die Wahlen dringend braucht. "Kostunica braucht aber auch Stabilität im Kosovo", hält Kouchner dagegen. Man müsse für den Kosovo in der Frage der serbischen Wahlen einen "dritten Weg" finden, eine "intelligente Lösung", die die scharfe Alternative vermeide. Da es aber noch keine offizielle Anfrage aus Belgrad gebe, die Wahl zu organisieren, habe man bisher eine solche Lösung auch nicht finden müssen. Mit der Kosovo-Kommunalwahl sei nun die "erste Etappe" der Mission abgeschlossen. Die "Pioniere", die daran teilgenommen hatten, würdigt Kouchner als "echte Kämpfer, keine internationalen Funktionäre". Jetzt trete eine neue Equipe an, die Aufgabe werde künftig "klassischer", nachdem auf beiden Seiten Demokratien miteinander reden. (DerStandard, Printausgabe, 03.11.2000)