Palo Alto - Bis vor kurzem kannten sich Bertelsmann und Napster vor allem aus Gerichtssälen. Bertelsmann gehört zu jenen "Big Five" des Musikbusiness, die Napster wegen Verletzung des Urheberrechts verklagen. Die Software der kalifornischen Start-up-Firma erlaubt ihren rund 30 Millionen Nutzern, kostenlos Tausende von Musiktiteln aus dem Internet herunterzuladen. Das Ausscheren von Bertelsmann, der mit Napster einen auf Mitgliederbeiträgen basierenden Tauschservice aufbauen will, überraschte die Branche. Gleichzeitig wirft es die Frage auf, wie sich mit Peer-to-Peer-Technologie (P2P) neue, lukrative Businessmodelle entwickeln lassen.

Noch vor wenigen Monaten war P2P "the new, new thing". Unternehmer und Medien lobten die "Guerilla"-Technologie, die User nicht nur Musiktitel tauschen lässt, sondern weltweit den Zugang zu Daten auf anderen Computern verschafft, in den Himmel. Sie würde das Internet transformieren und eine lukrative Investment-Nische schaffen.

Die bekanntesten Anbieter sind Gnutella, Freenet, Aimster und Mojo Nation, die im Gegensatz zu Napster dezentral operieren. Nicht nur macht dies die zentralen Server obsolet, da die User untereinander Daten austauschen, sie bleiben auch anonym.

Wer bezahlt?

Doch mit Popularität allein lässt sich noch kein Blumentopf gewinnen. Auch wenn mit P2P-Technologie Musik, Filme, Software, Computerspiele in unvorstellbarer Geschwindigkeit von Millionen von Nutzern ausgetauscht werden können, bleibt die Frage, wer dafür bezahlt. Noch ist es unklar, ob von den Nutzern ein Mitgliedsbeitrag eingehoben werden kann. Im Bertelsmann-Napster-Deal ist von einem Monatsbeitrag von fünf Dollar (5,90 EURO/80 S) die Rede.

P2P-Fans ficht das nicht an. Sie setzen auf die Lizenzierung der Software für Medien-unternehmen oder den E-Commerce. Auch glauben sie wie die Firma Quiq in Kalifornien an Allianzen zwischen P2P-Technologie und Business-to-Consumer- (B2C) und Business-to-Business-Unternehmen (B2B). So erlaubt Quiqs Software B2B-Unternehmen, den Dialog zwischen Kunden, hauseigenen Experten, Zulieferern und Partnern so auszuwerten, dass daraus eine wertvolle Informationsquelle entsteht. Mithilfe von P2P-Technologie, so die Idee, werden Online-Gemeinden lukrativ und produktiv.

Ungenützte Kapazitäten

Wieder andere wollen die ungenutzten Kapazitäten von Computern ausbeuten, wenn deren Nutzer beispielsweise schlafen. P2P-Technologie würde es Unternehmen erlauben, diese Kapazitäten auszuschöpfen, indem sie sich gegen eine Gebühr die Computer anderer zunutze machen. Wie profitabel all diese Konzepte langfristig sind, lässt sich aber derzeit nur spekulieren.

Bei Bertelsmann obsiegte die Einsicht, dass zwar die Schlacht gegen Napster gewonnen werden kann, nicht aber der Krieg gegen die Technologie. Statt Napster zu vernichten, umarmt Bertelsmann eine "Guerilla"-Technologie, die sich für den eigenen E-Commerce-Bereich eignet. (Rita Neubauer, DER STANDARD, Printausgabe 3.11.2000)